Licht nicht unter den Scheffel
stellen
Barmen und das Grundgesetz bei
Akademietagung






“Voraussetzungen und Perspektiven von Kirche
und Staat” war das Thema einer Vortrags- und Diskussionsveranstaltung, zu
der die Evangelische Akademie Hofgeismar ins Zierenberger Bürgerhaus
eingeladen hatte. Mitveranstalter waren die beiden Kirchenkreise Hofgeismar
und Wolfhagen, der Landkreis Kassel, die Stadt Zierenberg und die
Elisabeth-Selbert-Schule Zierenberg.



Zwei Jahrestage waren es, über die
nachgedacht wurde: 75 Jahre Barmer Theologische Erklärung und 60 Jahre
Grundgesetz. Vor allem wurde auch an Elisabeth Selbert erinnert, die 1948 in
den Parlamentarischen Rat zur Mitwirkung am Grundgesetz berufen wurde. Sie
engagierte sich besonders für die Formulierung in Artikel 2 Absatz 3, der
besagt, dass Männer und Frauen gleichberechtigt sind.

Akademiedirektorin Pfarrerin Eveline Valtink
bezeichnete die Barmer Theologische Erklärung von 1934, die als Bekenntnistext
auch im Evangelischen Gesangbuch abgedruckt ist, als eines der wichtigsten
Dokumente des Kirchenkampfes, das auch deutlich gemacht habe, wie wichtig die
Trennung von Kirche und Staat sei. Das Grundgesetz mache deutlich, dass sich das
deutsche Volk zu den unverletzlichen Menschenrechten bekennt; den
Freiheitsrechten des Grundgesetzes verdanke sich auch die Religionsfreiheit.
Landrat Dr. Udo Schlitzberger, der sich wie auch die Bürgermeister von
Wolfhagen, Rainhard Schaake, und von Zierenberg, Stefan Denn, den ganzen Abend
über Zeit nahmen für das wichtige Thema, bezeichnete bei seinem Grußwort das
Grundgesetz als eine Verfassung, auf die man stolz sein kann.


Barmen und der Kirchenkreis Wolfhagen


Die Barmer Theologische Erklärung ist für den
Kirchenkreis Wolfhagen auch deshalb von Interesse, weil der Ehringer Pfarrer Kurt Eckhardt (1904-1999), an der Bekenntnissynode in
Barmen, einem heutigen Wuppertaler Stadtteil, teilgenommen hatte. Daran
erinnerte Dekan Dr. Gerlach in seinem Vortrag. Die Synode sei
einberufen worden, weil besorgte Christen die Grundlagen des Glaubens
angegriffen sahen. In der Weimarer Republik habe die Kirche ihren Platz finden
müssen und ganz viele Christen hätten sich den Deutschen Christen angeschlossen.
Gerlach wies darauf hin, dass einer der Hauptkritikpunkte die Tatsache gewesen
sei, dass plötzlich nicht mehr Jesus Christus die Menschen rufe, sondern Adolf
Hitler. Ein gängiger Gedanke sei einfach umgedreht worden; man habe einen
“arischen Christus” haben wollen. Gegen diese Irrlehren habe sich die
Bekenntnissynode von Barmen gewandt. Dabei sei deutlich geworden, dass es keine
Frage der Beliebigkeit sei, wie die Kirche lebe, sondern dass Glaube und
Gehorsam, Botschaft und Ordnung zusammen gehören. Auch insoweit sei der Barmer
Bekenntnistext ein wegweisendes Dokument, das auch heute noch seine Bedeutung
habe.


Grundgesetz und sinkende
Kirchenmitgliederzahlen
Alfred Hartenbach, Parlamentarischer
Staatssekretär im Bundesministerium der Justiz, erinnerte an
weitere wichtige Texte: an das Stuttgarter Schuldbekenntnis und das Darmstädter
Wort. Beides seien Texte, die deutlich gemacht hätten, dass Christen nach dem
Willen Jesu Salz der Erde seien; und Salz tue Wunden manchmal auch weh.
Hartenbach kam auf die einleitenden Artikel des Grundgesetzes zu sprechen. Die
Freiheit des Glaubens und die ungestörte Religionsausübung wie die Tatsache,
dass Religion ordentliches Lehrfach in den Schulen sei gehörten zu den ganz
wichtigen Grundrechten. Das Verhältnis des Staates zu den Kirchen sei in einem
dürren Satz beschrieben, der auf die Weimarer Reichsverfassung hinweise. Er
berichtete über die Kompromisse, die Ende 1948 / Anfang 1949 in der Frage
geschlossen werden mussten. Hartenbach bezeichnete das Grundgesetz als eine
Verfassung, durch die in 60 Jahren mehr erreicht worden sei für die Kirchen als
in den 14 “Weimarer Jahren”. Staat und Kirche hätten sich eingerichtet in einem
Verhältnis der Distanz. Aus Sicht des Staates hätten die Kirchen eine besondere
Stellung. Der Staat verlasse sich auf die Kirchen, etwa bei der
Anstaltsseelsorge oder in der sozialen Fürsorge. Besorgt bemerkte der
Staatssekretär die Tatsache, dass seit 1949 der Anteil der Mitglieder der
christlichen Kirchen in der Bevölkerung von 90 auf 63 Prozent gesunken sei.


Verantwortung vor Gott und den
Menschen


In einer lebhaften Diskussion spielte die Präambel des
Grundgesetzes eine Rolle. Vor allem Landrat Dr. Schlitzberger machte bei seinem
letzten öffentlichen Auftritt in Zierenberg während seiner Zeit als Landrat des
Landkreises Kassel deutlich, wie wichtig es sei, dass das Grundgesetz entstanden
sei “Im Bewusstsein seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen” .
Staatssekretär Hartenbach vermutet, dass eine solche Formulierung heute nicht
mehr mehrheitsfähig sei weil die Zahl der religionsgebundenen Abgeordneten des
Deutschen Bundestages abnähmen. Von daher gesehen sei er dankbar, dass das
Grundgesetz in seinem Bestand nicht gefährdet sei.

Pfarrerin Valtink dankte für eine lebhafte Diskussion
und erinnerte ihrerseits noch einmal daran, dass die Kirchen auch in der
Ethikkommission des Deutschen Bundestages vertreten seien und dass es wichtig
sei, dass sich die Kirchen weiterhin für den Schutz des Sonntags einsetzten. Die
Kirchen müssten “ihr Licht nicht unter den Scheffel stellen”.