Pfarrer Marek Prus, Hartmut Nassauer, ehemaliges Mitglied des
Europäischen Parlaments, Bürgermeister Reinhard Schaake, Pfarrer Dieter Hirsch,
Günther Dreisbach, Pfarrer Dr. Oliver Schmalz und Dekan Dr. Gernot Gerlach
gestalteten gemeinsam den Vortrags- und Gesprächsabend im Evangelischen
Gemeindezentrum
Eine brennende Kerze ins Fenster gestellt
20
Jahre Grenzöffnung – Bedeutung für die Kirchengemeinde
Dass die Evangelische Kirche Vorreiterin war für die Partnerschaften
zwischen Ost und West, wurde am Mittwoch Abend im Evangelischen Gemeindezentrum
deutlich, als des 20. Jahrestages der öffnung der innerdeutschen Grenze gedacht
wurde. Viele interessierte Gemeindeglieder aus Wolfhagen und darüber hinaus
waren der Einladung des Kirchenkreises und der Kirchengemeinde Wolfhagen
gefolgt, um sich zu erinnern und zu bedenken, welche Folgen die deutsche Teilung
gehabt hat.
Unter der Moderation von Dekan Dr. Gernot Gerlach boten die
Teilnehmer ein buntes Bild der verschiedenen Zugänge zur Partnerschaft und zur
Aufarbeitung dieses bedeutenden Teils der deutschen Geschichte. Pfarrer i. R.
Dieter Hirsch (Hilden), von 1973 bis 1999 Pfarrer in Heldrungen, schilderte
bewegt die Tage im Herbst 1989 und unterstrich, wie wichtig bei all dem die
Partnerschaft mit Christen in der Bundesrepublik gewesen sei. Er sprach von der
großen Angst, die man in der DDR gehabt habe. Die gewaltsame Niederschlagung
eines Aufstands in Peking sei durch die Medien gegangen, einhergehend mit der
Angst, dass so etwas auch in der DDR passieren könnte.
Günther Dreisbach berichtete, wie wichtig in seiner Biografie die
Partnerschaft mit Christen in der DDR gewesen ist und wies darauf hin, dass
viele Christen vom Jahr der Errichtung der Mauer an zum Weihnachtsfest eine
brennende Kerze ins Fenster gestellt hätten – als ein Zeichen der Solidarität
mit den Schwestern und Brüdern im anderen Teil Deutschlands, den viele noch
lange nach der Grenzöffnung als „Ostzone“ bezeichnet hätten. Er
erwähnte bedrückende Erfahrungen über Gespräche mit jungen Christen in der DDR,
die keine Zukunftschancen mehr in ihrem Land gesehen hätten.
Pfarrer Dr. Oliver Schmalz (Oberelsungen) referierte über die
theologische Bedeutung des Herbstes 1989 in der DDR und stellte fest, dass es
sich nicht um eine protestantische Revolution gehandelt habe, sondern dass die
Kirche Räume geboten hätte für Menschen, die keine Zukunft mehr im Staat DDR
sahen. Neben der Aufgabe der Kirchen, Partnerschaftsarbeit zu leisten, habe es
keine vergleichbaren Programme in der DDR gegeben. Die Evangelische Kirche sei
viele Jahre lang die Klammer zwischen Ost und West gewesen.
Hartmut Nassauer, ehemaliges Mitglied des Europäischen Parlamentes,
berichtete aus politischer Sicht. Vor 20 Jahren habe er als
Fraktionsvorsitzender der CDU im Hessischen Landtag mit dem damaligen
Ministerpräsidenten Walter Wallmann am Tag nach der Grenzöffnung die Grenze bei
Herleshausen besucht. Die Erfahrungen seien einfach überwältigend gewesen.
Nassauer ging auch auf die europäische Dimension des Falls der Mauer ein. Der
habe neben der deutschen Wiedervereinigung auch zur Wiedervereinigung Europas
geführt. Seit 2004 habe sich die politische Landkarte Europas endgültig
verändert.
Pfarrer Marek Prus (Zierenberg), Pfarrer der katholischen
Pfarrgemeinde St. Maria, ist in der Nähe von Krakau (Polen) aufgewachsen. Er
schilderte eindrücklich die Sehnsucht der jungen Polen nach der Einheit Europas.
Für ihn sei klar, dass das Jahr 1978 mit der Wahl des polnischen Kardinals Karol
Woitila zum Papst unmittelbar mit der Einheit Europas zu tun habe.
In zahlreichen Beiträgen der Besucherinnen und Besucher wurde
deutlich, wie vielfältig die Erfahrungen sind, die Christen in beiden Teilen
Deutschlands gemacht haben. Dekan Dr. Gernot Gerlach unterstrich am Ende die
hohe Bedeutung des Oktober / November 1989. Der Abend sei kein historischer
Abend gewesen, habe aber deutlich gemacht, wie wichtig es sei, die
geschichtlichen Ereignisse des Herbstes 1989 nicht aus den Augen zu verlieren.