Gelebter Glaube hat Tiefe und eröffnet Weite
Gernot Gerlach zehn Jahre Pfarrer in Wolfhagen
Hirten (Misericordias Domini) wurde er im Jahr 1985 zum Pfarrer ordiniert. 15
Jahre später, am Sonntag vom guten Hirten im Jahre 2000 wurde er von Propst Dr.
Gerhard Wehmeier als Pfarrer in Wolfhagen und Dekan des Kirchenkreises Wolfhagen
in der Evangelischen Stadtkirche eingeführt. Das war für uns Anlass, mit dem
Dekan ein Gespräch zu führen.
Am 1. Mai 2010 sind Sie zehn Jahre Pfarrer in Wolfhagen und Dekan des
Kirchenkreises. Was ist Ihnen in diesen zehn Jahren besonders wichtig
geworden?
Mir ist besonders wichtig geworden, dass täglich neu der christliche
Glaube eine befreiende Lebenskraft entfaltet, wo gebetet, gehofft, geglaubt und
geliebt wird. In der Kirchengemeinde und im Kirchenkreis leben viele Menschen
den christlichen Glauben beherzt und verantwortlich. Das ist beeindruckend.
Dieser gelebte Glaube hat Tiefe und eröffnet Weite.
In der Kirchengemeinde Wolfhagen gibt es momentan einen großen
Schwerpunkt in der Sorge um die Renovierung der Stadtkirche. Verblasst
dadurch nicht manch anderer wichtiger Dienst?
Es ist richtig, dass die Kirchengemeinde Wolfhagen den ehrwürdigen
Gottesdienstraum erhält und dafür die Sanierungsmaßnahme mit einem großen
Kräfte- und Finanzvolumen durchführt. Sie tut dies in der Gemeinschaft des
Kirchenkreises und der Landeskirche zusammen mit der Landesdenkmalpflege. Damit
sind hohe Anstrengungen verbunden. Die anderen Dienste der Diakonie, der
Seelsorge, der Kirchenmusik, der ökumene, des ökumenischen Gemeindebriefes, der
pädagogischen Arbeit, der Mitarbeit im Gemeinwesen der Stadt bleiben gemäß der
Konzeption der Gemeinde im Blick. Es bleibt die Herausforderung, die Balance der
jeweiligen Aufgaben auszutarieren. Viele Gemeindeglieder übernehmen dabei
Verantwortung, unterstützen die Arbeit der Gemeinde mit dem „Freiwilligen
Kirchgeld“ und arbeiten mit.
Gerlach
viele Gespräche mit den Besucherinnen und Besuchern.
Wenn Sie die zehn Jahre Ihres Dienstes in Wolfhagen bedenken:
Können Sie die größte Enttäuschung und die größte Freude benennen?
Die größte Enttäuschung während meines Dienstes empfinde ich in dem
Punkt, dass es nicht gelungen ist, die Kirchenkreise in der Region
verantwortlich weiterzuentwickeln und eine entsprechende Neustrukturierung der
Kirchenkreise vorzunehmen. Der Kirchenkreis Wolfhagen hat sich stets für eine
beherzte Weiterentwicklung und Reform eingesetzt und wichtige schritte
unternommen. Dazu gehört z. B., dass wir uns von der Kirchengemeinde Volkmarsen
aus dem Kirchenkreis verabschiedet haben, weil dieser Schritt ein teil des
landeskirchlichen Reformprozesses gewesen ist.Wenn sich jetzt die
Nachbarkirchenkreise zum neuen Kirchenkreis Kaufungen zusammengeschlossen haben,
ist meines Erachtens der Blick auf die Gesamtregion mit den Kirchenkreisen
Hofgeismar, Wolfhagen, Kaufungen nicht hinreichend gelungen.
Die größte Freude ist, dass wir in unseren Kirchen jeden Sonntag
liebevoll Gottesdienste feiern mit Gebet, Musik und Gesang, Verkündigung des
Evangeliums. Viele Kirchen können wir dafür erhalten und renovieren. In dem
Zusammenhang ist es wiederholt eine Freude gewesen, dass wir Klangreisen mit
verschiedenen kirchenmusikalischen Projekten durchgeführt haben. Diese Freude
strahlt auch in den diakonischen Bereich. Es ist uns geglückt, die diakonische
Arbeit zu vertiefen und qualitativ weiterzuentwickeln mit der Bildung des
Diakonischen Werkes Hofgeismar-Wolfhagen.
Hier beim
Elisabethfest im Jahr 2007 – nach dem Aufbau.
Sie haben in den zehn Jahren viele Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter – hauptamtlich, nebenamtlich und ehrenamtlich – kennen gelernt
und mit ihnen zusammen gearbeitet. Ist das ein Pfund, mit dem die Gemeinde
wuchern kann?
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind ein ‚Schatz‘. Es ist
wahr, dass Gott jedem Menschen besondere, unverwechselbare Gaben gegeben hat,
die jeder und jede entfalten möge. Diese Gaben kommen richtig in der
Gemeinschaft zur Geltung. Dies geschieht in einer sehr aufmerksamen, mit Freude
entfalteten, ziel orientierten Zusammenarbeit. Im Leitbild des Kirchenkreises
und in den Konzeptionen der Gemeinden wird dieser Punkt betont, dass wir
‚miteinander den Glauben leben‘, also die Zusammenarbeit fördern. Vieles
ist dabei gelungen, anderes werden wir verbessern.
beim Sponsorenlauf für die Renovierung der Stadtkirche
mit.
Während Ihres Dienstes seit 2000 hat die ökumene einen besonderen
Schub bekommen. Welche Bedeutung hat die ökumenische Partnerschaft für Ihren
Dienst?
Die ökumenische Dimension des evangelischen Glaubens ist
unverzichtbar. Sie bezieht sich auf Schwestern und Brüder anderer Kirchen in der
Region und weltweit. Wir haben im Bereich des Kirchenkreises mit den
katholischen Kirchengemeinden und mit der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen
Kirche (SELK) seit Jahren ein intensives Gespräch. Höhepunkte der Zusammenarbeit
konnten wir in der ökumenischen Bibelwoche, in den jährlichen ökumenischen
Pfingstgottesdiensten, in der ökumenischen Bibelwerkstatt erleben. Zur
ökumenischen Arbeit gehört aber auch die Partnerschaft mit der Propstei Pärnu
der Estnisch-Evangelisch-Lutherischen Kirche. Auch diese Partnerschaft ist
unverzichtbar und eine Bereicherung des evangelischen Glaubens unserer Kirche.
im Gespräch mit Dekan Dr. Gernot Gerlach.
In der Liturgischen Nacht dieses Jahres gab es eine Gebetsandacht
am frühen Morgen. Anliegen aus der Gemeinde wurden vor Gott gebracht. Ist
das ein Modell, das geistliche Leben in der Gemeinde zu
intensivieren?
Ich begrüße ausdrücklich, dass Gemeindeglieder ihre Anliegen in
vielfältiger Form vor Gott und im Gespräch miteinander entfalten. In den
vergangenen Jahren haben wir bei manchen Gottesdiensten in den
Vorbereitungsgruppen Gebetsanliegen zusammengetragen und im Gottesdienst
formuliert. Die jüngste Gebetsform möge bitte fortgesetzt werden.
Haben Sie einen besonderen Wunsch für die Kirchengemeinde und für
die Menschen in den Gemeinden für die kommenden Jahre?
Mein Wunsch ist, dass wir bei allen Veränderungen, die wir im
persönlichen, familiären, kommunalen, regionalen, politischen,
gesellschaftlichen Raum ebenso erleben wie in Kirche und Diakonie, täglich
innehalten, auf Gottes Wort hören, beten, das Gebotene in der
Kirchengemeinschaft abstimmen, Prioritäten setzen und das Notwendige tun. Zum
evangelischen Glauben gehört, dass der persönliche Glaube in der
Kirchengemeinschaft gelebt wird. Mit einem Liedvers sei es ausgedrückt:
„Sing, bet‘ und geh‘ auf Gottes Wegen, verricht‘ das Deine nur
getreu und trau des Himmels reichem Segen, so wird er bei dir werden neu, denn
welcher seine Zuversicht auf Gott setzt, den verlässt er nicht.
Dekan Dr. Gerlach
zusammen mit Pfarrerin Engelhardt-Lenz
im Gespräch mit Stefan Lehmann von
der Druckerei Schneidmüller.
Welches ist Ihr Lieblingslied im Gesangbuch und Ihr Lieblingsvers
in der Bibel?
Mein Lieblingslied ist „In dir ist Freude“ (EG 398). Meine
Lieblingsverse in der Bibel sind: Gott spricht zu seinem Volk: „Ich will
dich segnen und du sollst ein Segen sein.“ (1. Buch Mose 12,2; dieses Wort
ist nur in der christlich-jüdischen Tradition auszulegen) und das Wort Jesu
Christi: „Ich bin das Licht der Welt. Wer mir nachfolgt, wird nicht wandeln
in der Finsternis, sondern wird das Licht des Lebens haben.“
(Johannesevangelium 8,12)
Vielen Dank, Herr Dekan Dr. Gerlach, für dieses Gespräch.
der
Kirchengemeinde dabei –
diesmal als Kirchenältester.