Die Vikarin mag Kreuze
Evangelische Gemeinde in katholischem Gotteshaus
Angekommen ist die Evangelische Kirchengemeinde am heutigen
Karfreitag in Sankt Maria. Das heißt: Die Ankunft war schon am Gründonnerstag.
Aber am Karfreitag feierte die Gemeinde ihren ersten Gottesdienst in der
katholischen Kirche. Aber der Reihe nach.
Liebeserklärung an St. Maria
Am Donnerstag wurde auch schon gefeiert. Noch einmal im
Gemeindezentrum. Zum ersten Mal wurde im Gemeindezentrum ein
Abendmahlsgottesdienst gefeiert. Und Abschied. Denn das Gemeindezentrum hat als
Gottesdienststätte ausgedient. Jetzt feiert die Gemeinde ihre Gottesdienste in
der katholischen Kirche St. Maria. Und wie kommt man vom Gemeindezentrum zur
katholischen Kirche? Mit einer kleinen Liebeserklärung an die katholische
Gemeinde. Mit einer Prozession. Da haben die katholischen Christen übung. Und
sie halfen auch gleich praktisch mit Kerzenständern, die in der Prozession
verwendet wurden. In einer Zeit, in der kirchliche Feiertage nicht sehr hoch im
Kurs stehen, ist es wichtig, dass die Kirchengemeinde nach draußen geht, Flagge
zeigt. So wurde die Bibel mitgenommen, in der Karwoche gesammelte
Fürbittenkarten und ein Gastgeschenk. Es war eine kleine aber feine
Demonstration des Glaubens. Viele der Gottesdienstbesucher gingen mit. Das ist
ja auch ein Bekenntnis.
Am Portal von Sankt Maria erwarteten Jürgen Günst, Rajmond
Eckenberger, Alexander Ekenberger, Christa Michl und Simone Straka Geiersbach
von der katholischen Gemeinde die Prozession. Gemeindereferent Jürgen Günst
unterstrich die Selbstverständlichkeit der Gastfreundschaft und erinnerte daran,
dass von der evangelischen Gastfreundschaft im Jahr 1989 ein Anschub für das
ökumenische Miteinander ausgegangen sei. Dekan Dr. Gernot Gerlach dankte der
katholischen Gemeinde für das große Entgegenkommen. Einen Anschub wie es ihn
seinerzeit gegeben habe, wünsche er sich auch jetzt. Und dann überreichte er als
Gastgeschenk ein Relief von Elisabeth von Thüringen.
Lutherbibel auf dem Altar
Und dann “durfte” die evangelische Gemeinde das Gotteshaus feierlich
betreten. Die Kirche war in Kerzenlicht getaucht, ein Vorbote für die
Liturgische Nacht. Vor dem Altar hielt man noch einmal inne. Prädikant Günther
Dreisbach legte die Lutherbibel auf den Altar, auf noch nie eine Lutherbibel
gelegen hat. Dekan Gerlach sprach ein Gebet. Und die Gemeinde stimmte ein in
“Nun danket alle Gott”. So empfinden das die evangelischen und die katholischen
Christinnen und Christen: als ein Geschenk, für das man Gott dankbar sein
darf.
Und dann begann gleich unter evangelischer Regie eine ökumenische
Veranstaltung: die zehnte Liturgische Nacht. Die ganze Nacht bis zum Morgen des
Karfreitags war die Kirche geöffnet zur stillen Anbetung, zum Singen und Hören,
zum Beten und Nachdenken. Es war nicht “die große Masse”, die sich hat rufen
lassen. Aber die Verantwortlichen haben schon immer das Beten in dieser Nacht
als ein stellvertretendes Beten verstanden.
Kreuzdarstellungen verhängt
Und am Karfreitag dann der erste evangelische Gottesdienst in einer
Wolfhager katholischen Kirche – und die gibt es seit 1946. Und gleich durfte
eine Frau predigen: Vikarin Andrea Brede-Obrock. Und die Predigt hätte auch den
katholischen Gemeindegliedern gefallen. Die Vikarin mag nämlich Kreuze und
veranschaulichte schön, warum ihr das Kreuz wichtig ist. Eine
Karfreitagspredigt, wie man sie sich wünscht. Ungewohnt war dann aber doch
etwas: In der Kirche St. Maria sind sämtliche Kreuzdarstellungen verhängt.
Die Kirche sieht, dem Anlass des Tages angemessen, noch trister aus
als die Stadtkirche. Das ist das besondere Gepräge der katholischen Gemeinde, an
das man sich im Laufe der Zeit gewöhnen wird. Auch an den Geruch von Weihrauch,
der katholischen Kirchen anhaftet. Aber Weihrauch ist weder katholisch, noch
evangelisch, sondern einfach nur biblisch, wie man hier lesen kann.
übrigens: Reinhard Michl von der HNA hat sehr schön berichtet über
den „Umzug“ nach St. Maria. Seinen bericht lesen Sie bitte hier.
Christoph Urtlauf, Prädikant Günther Dreisbach, Dekan Dr. Gernot
Gerlach und Kirchenvorsteher Ulrich Urtlauf führen die Prozession vom
Evangelischen Gemeindezentrum zur katholischen Kirche St. Maria an.
Die Gemeinde wartet auf dem Kirchplatz gespannt darauf, das
katholische Gotteshaus betreten zu können.
Dekan Dr. Gernot Gerlach überreicht Gemeindereferent Jürgen Günst ein
Gastgeschenk. In der Mitte hält Prädikant Günther Dreisbach die Altarbibel der
evangelischen Gemeinde, eine Lutherbibel, wie an der aufgeprägten Lutherrose
erkennbar ist.
In der Seitenkapelle von Sankt Maria wurde die Gebetsecke
eingerichtet, für die katholischen Christen der Ort der stillen Anbetung.
Manches lässt sich mit dem Fotoapparat nur unzureichend einfangen.
Hier ist am frühen Karfreitagmorgen noch ein wenig zu sehen, wie die Kirche
ausgeschmückt war in der Liturgischen Nacht.
Nach dem Gottesdienst verabschieden Vikarin Andrea Brede-Obrock und
Pfarrer Hans Jürgen Basteck die Gottesdienstbesucher, hier den Kirchenältesten
Heinrich Schwarz.