Weniger Schnee im Winter


Auf dem Evangelium gegründetes Miteinander

Pfarrerin Ursula Breul


Sie sind jetzt sechs Jahre Pfarrerin in einer Dorfgemeinde
gewesen. Was reizt Sie an einer nordhessischen Kleinstadt?


Das Klima. Das heißt: weniger Schnee im Winter als bisher, kurze Wege zu
vielen Orten, fahrradtaugliches Gelände, ein Freibad, eine Eisdiele, schöne
Fachwerkhäuser, eine gute Atmosphäre, die Kirchenmusik und vor allem die
humorvollen und freundlichen Menschen in Wolfhagen kennenzulernen. Ich
wünsche mir, dass es sogar ein gutes und angenehmes Klima wird.


ökumene wird in Wolfhagen großgeschrieben. Ihre Einführung wird in
der katholischen Kirche sein. Ist das für Sie eine
Anfechtung?


Mit “Ja” hätte ich geantwortet, wenn Sie mir diese Frage als Abiturientin
oder Studentin in Göttingen gestellt hätten. Denn bis zu diesem Zeitpunkt
hatte ich als “evangelisch-reformiert”-geprägter Christenmensch kaum
Gelegenheiten, die Früchte ökumenischer Gemeinsamkeiten zu genießen und die
Unterschiede im Gebet Gott vor die Füße zu legen. – Aber Sie stellen mir
diese Frage Jahre später als Pfarrerin und ich beantworte sie mit einem
überzeugten “Nein!” Und das hängt mit meinem Urlaubssemester zusammen, das
mich 1998 / 1999 nach Bolivien führte. Als evangelische Theologiestudentin
fand ich mich in einem äußerst katholisch geprägten Land auf einer
Bibelschule der norwegischen, lutherischen Mission wieder (auch an diesem
Punkt hätte ich noch mit “Ja” geantwortet, denn die Unterschiede der
Konfessionen und die überlegenheit des lutherischen Glaubens wurden doch
stark betont.). Doch nun endlich zum “Nein”: über die Kontakte meiner
Gastfamilie lernte ich eine geistliche Gemeinschaft aus der katholischen
Kirche kennen, zu der ich bis heute in freundschaftlichem Kontakt stehe: die
Fokolar-Bewegung. Und auf einmal wurde es mit dem “Wort des Lebens” ein auf
dem Evangelium gegründetes Miteinander – mitten im katholischen Bolivien.
Deshalb freue ich mich auf meinen Einführungsgottesdienst in St.
Maria.


“Selig sind die Beene, die vorm Altar stehn alleene” heißt es im
Volksmund. Bisher haben Sie allein in einer Kirchengemeinde
gearbeitet. Jetzt ist Teamarbeit angesagt. Welche Chancen sehen Sie
in einer solchen Arbeit?


Ganz “alleene” war ich Gott sei Dank dann doch nie.
Teamarbeit ist auch im Kirchenvorstand, mit den
Küsterinnen, mit den Ehrenamtlichen, mit den
Hauptamtlichen und den Lektorinnen und Lektoren
angesagt. Dass es in Wolfhagen nun vier Kollegen sind,
das ist schon etwas Besonderes, zumal Pfarrerinnen und
Pfarrer auch allein genommen manchmal “besonders” sein
können. Zunächst einmal sehe ich die Chance darin, dass
es eine gemeinsame Arbeit in einem Team werden wird, die
sich entwickeln wird. Für den Anfang möchte ich die
Arbeit als “Arbeit in einem Pfarramt mit Kolleginnen und
Kollegen” beschreiben. Ein Team wird es dann werden,
wenn ich die Kollegen und die Kollegin mit Stärken und
Schwächen kennengelernt habe und sie mich im Gegenzug
genauso; und dabei vor allem eine gute Arbeitsatmosphäre
entsteht. Von einem “Teampfarramt” kann ich dann reden,
wenn es uns zu viert – unbemerkt – gelingt, “Pferde zu
stehlen”. Damit das und vieles andere gelingen möge,
braucht es natürlich das Wirken des Heiligen Geistes.
Ich denke in diesem Zusammenhang an Paulus “Gebe Gott
zum Wollen das Vollbringen.”



Kinder- und Jugendarbeit, Seniorenarbeit, Kirchenmusik,
Gottesdienst und Besuchsdienst, Seelsorge und Unterricht – das
Pfarramt ist ein weites Feld. Wo haben Sie Ihre Schwerpunkte?


Zum Glück sind Pfarrerinnen und Pfarrer ja – entgegen
anderslautender überschriften – keine (!) Alleskönner.
Und deshalb bin ich auch noch immer von Herzen gerne
Pfarrerin: Weil es ein Beruf ist, in dem es so viele und
manchmal auch ungeahnte Freiheiten und
Gestaltungsmöglichkeiten gibt. Im Moment kann ich
beschreiben, welche Schwerpunkte es in den vergangenen
sechs Jahren waren: Gottesdienste in drei Orten meiner
Gemeinde, Kindergottesdienste und Kinderbibeltage,
Familiengottesdienste, Vorbereitungen mit den
ehrenamtlichen Kindergottesdienstmitarbeiterinnen,
Konfirmandenunterricht und -freizeiten,
Weltgebetstagsarbeit, der Aufbau einer regionalisierten
Jugendarbeit in der kommunalen Großgemeinde Vöhl,
Schulunterricht an einer Haupt- und Realschule und eben
jedes Jahr eine kleinere, meist aber dann doch größere
Baumaßnahme! Und dann gibt es ja die vielen kleinen
selbstverständlichen Dinge, von denen nur wenige in der
Außenwirkung wahrgenommen werden, wie zum Beispiel die
Geschäftsführung und die Leitungsaufgaben und vor allem
die Besuche und Vorbereitungen für Taufen, Hochzeiten
und Beerdigungen. Es ist ein weites Feld mit den
Schwerpunkten. Zum Glück lässt es sich aber immer auch
gut in bestimmte Weideflächen einteilen. Wie sich diese
vielfältige Felderwirtschaft in Wolfhagen und
Leckringhausen angehen wird, kann ich vielleicht in
einem Jahr beantworten.