Alles, was Gott geschaffen hat, ist gut, und nichts ist
verwerflich, was mit Danksagung empfangen wird
(1. Tim. 4,4 –
Monatsspruch Mai 2012)

Dieses Wort ist ein Weckruf! Es weckt uns und lässt uns
aufhorchen so, wie an jedem Morgen in diesen Tagen die Vögel das aufgehende
Licht des neuen Tages stimmkräftig begrüßen und uns aus dem Schlaf wecken. Wie
Blumen, Gräser, Sträucher aufblühen und uns zum Staunen anleiten, so lockt uns
dieses Wort jeden Morgen neu unser Leben wahrzunehmen: die Welt als Schöpfung
Gottes, in der wir mit anderen zusammen leben. Wer hinsieht, der staunt. Wer
staunt, denkt nach. Wer im Glauben nachdenkt, erschließt sich die weite Welt des
Dankens. Darauf kommt es an. Wer sich wecken und anleiten lässt, beginnt zu
staunen und zu entdecken, dass wir viele Gaben häufig nicht bewusst
entgegennehmen. Wenn ich allerdings dafür danke, dann habe ich nachgedacht habe
über das unverdiente Geschenk vieler Gaben aus Gottes Hand. Denken und danken
gehören zusammen.

Den Regen kann niemand herbeischaffen, der die Felder berieselt. Der
Sonne nicht befohlen werden, dass sie die Tomaten rötet. Meinem Herz kann nicht
gebieten, dass es schlägt. Dankbar erlebe ich, dass dies alles geschieht. Die
Dankbarkeit für ein erfülltes, gelingendes Leben will zum Du, will mitgeteilt
werden. Was ich mitteile, das teile ich zugleich. Jeder Tag ist ein Fest und
will uns bewusst machen, dass nicht im Haben und Halten, sondern im Teilen Leben
gelingt, Leben erst möglich wird. Das Zusammenkommen mit anderen am gedeckten
Tisch zum Geburtstag wird zu einem Dankfest ebenso wie ein Erntedankfest, das
wir im Teilen des Brotes in ökumenischer Verbundenheit weltweit feiern. Ein
Dankfest erinnert uns an die Bitte um unser tägliches Brot. Es ist die Bitte,
dass andere und wir satt werden. Es ist auch die Bitte des gemeinsamen Gebetes,
dass Gott uns bereit mache, abzugeben von dem, was er uns täglich reichlich
gibt. Und es ist letztlich die Bitte, dass uns mit dem Brot die Kraft für den
vor uns liegenden Tag gegeben wird. Es ist der Segen, der uns verheißen ist für
den Weg in der Nachfolge Jesu Christi, für den Weg zu Gott im Miteinander.

Im Wahrnehmen, Staunen, Denken und Danken unterscheiden wir deutlich
zwischen dem, was Gott geschaffen hat und was wir zu verantworten haben. Denn
menschliches Handeln in der Schöpfung ist folgenreich. Zu Recht sind wir in
unserer Zeit nachdenklich geworden, weil wir die Folgen menschlichen Handelns
deutlicher als bisher wahrnehmen. Es ist Zeit, um verantwortlich nachhaltig zu
handeln. Die Schöpfung Gottes ist nachhaltig, weil Gott um Jesu Christi willen
das Leben will. Von der Schöpfung Gottes werden wir in der Hinwendung zu Jesus
Christus geweckt, neue Wege der Nachhaltigkeit in der Schöpfung Gottes, in der
Gesellschaft und in der Verantwortung für alle Menschen dieser Welt zu gehen. So
führt uns der Dank für das empfangene tägliche Brot hin zur Bitte, dass jeder
Mensch an jedem Ort dieser Welt vor Hunger, Gefahr und Not bewahrt werden möge,
und zu neuem Dank für die Güte, Barmherzigkeit und Liebe Gottes, die vielfältig
in der Schöpfung Gottes und in Menschen glaubensvoll aufleuchtet.

Mit Konfirmandinnen und Konfirmanden kann dieses Wort aus dem
Timotheusbrief so fortgeschrieben werden:

“Gott, ich will dir danken in dieser Stunde,
dass ich zu essen
habe und zu trinken, dass ich lebe.

Ich will dir danken, dass es Menschen gibt,
die mich freundlich
begleiten,

für Eltern und Familie,

für Freunde, die mich verstehen.

Ich will dir danken, dass ich an dich glauben und dich lieben darf,

dass du alle Menschen liebst, auch mich,

dass du mir vergibst und ich Trost finde bei dir.

Ich will dir danken für allen Segen,

auch für die Augenblicke, in denen ich traurig bin,

für die Stunden, in denen du mir neuen Mut schenkst.

Gott, ich danke dir für diese Stunde inmitten deiner
Gemeinde.”

Paul Gerhardt nimmt einen Gedanken von Martin Luther zu dem Wort aus
dem Timotheusbrief so auf, der sagt: “Je tiefer man die Schöpfung erkennt, umso
größere Wunder entdeckt man in ihr.” Und Paul Gerhardt beginnt zu singen:

Geh aus, mein Herz, und suche Freud

in dieser lieben Sommerzeit an deines Gottes Gaben;

schau an der schönen Gärten Zier und siehe,

wie sie mir und dir sich ausgeschmücket haben.

Ich selber kann und mag nicht ruhn,

es großen Gottes großes Tun erweckt mir alle Sinnen;

ich singe mit, wenn alles singt, und lasse,

was dem Höchsten klingt, aus meinem Herzen rinnen.”

(EG 503, 1.8)

Gernot Gerlach
ist seit 2000 Pfarrer der 1. Pfarrstelle
Wolfhagen
und Dekan des Kirchenkreises Wolfhagen.