Hingehen – Zuhören –
Sich einmischen
ökumenischer Arbeitskreis Flüchtlinge
Nach einem halben Jahr Arbeit mit den Flüchtlingen, die in der
Wolfhager Pommernanlage untergebracht sind, haben Ehrenamtliche
Erfahrungen gesammelt, die im Gespräch mit der Vorsitzenden des
Kirchenvorstandes Wolfhagen, Ursula Muth, zum Ausdruck kommen.
Wie viele Flüchtlinge sind inzwischen in der Pommernanlage
untergebracht?
Es sind fast 80 Menschen, darunter
Familien mit sehr kleinen Kindern und junge Männer zwischen 25 und 35
Jahren. Sie kommen unter anderem aus Syrien, dem Iran, Somalia, Nigeria,
Afghanistan, dem Balkan.
Können wir Sachen für sie spenden?
Eine
Kleiderkammer kann dort nicht eingerichtet werden. Alte Kleidung bringt man
am besten dem Roten Kreuz. Dort wird die Kleidung gereinigt und im
Rote-Kreuz-Laden angeboten. Die Flüchtlinge können dort sehr günstig
Kleidung kaufen, die sie brauchen.
Immer noch gesucht werden Fernseher
und vor allem Receiver, damit die Flüchtlinge auch einmal Heimatsender
empfangen können. Das hilft ein wenig gegen Heimweh. Außerdem
gibt es immer wieder Neugeborene, für die die Erstausstattung fehlt:
Kinderwagen, Babysachen, Autositz.Gut ist, wenn man Flüchtlinge und ihren
Bedarf persönlich kennt und passend spenden kann.
Auf welche Weise können wir Kontakt aufnehmen, wenn wir helfen
wollen?
Am leichtesten ist, an einem ersten
Sonntag im Monat um 15 Uhr einfach in die Kaserne (hinter der Wache gleich
links halten) zu kommen, wenn ein öffentliches Kaffeetrinken angeboten wird.
Wolfhager Bürgerinnen und Bürger bringen Kuchen oder Kaffee samt Tassen mit,
man sitzt zusammen und lernt sich kennen. Die größte Hilfe ist, Zeit zum
Erzählen zu haben. Häufig geht das auf Englisch, aber auch mit Händen und
Füßen. Man lernt sich schnell kennen. Vielleicht findet man eine Familie
oder einen Flüchtling, um den man sich besonders kümmern will.
Man hört die Sorge, die Flüchtlinge könnten mehr Zuwendungen
und Aufmerksamkeit erhalten als Arbeitslose aus der Wolfhager
Bevölkerung. Ist die Sorge berechtigt?
Finanziell
stehen sie schlechter da. Für die Wolfhager Tafel wurden vier Plätze bereit
gestellt, die an Flüchtlingsfamilien in der Reihenfolge ihrer
Aufenthaltsdauer gegeben werden. Einkaufsfahrten mit einem Kleinbus gibt es
nur ausnahmsweise, denn sie können mit den Schulbussen der Berufsschule in
die Stadt fahren. Am Mittwoch, wenn Neuankömmlinge diese Busse nicht mehr
nutzen können, bietet der “Arbeitskreis Flüchtlinge” eine Einkaufsfahrt an
und in den Ferien, wenn die Schulbusse nicht fahren. Es ist schwer, die 5,4
km vom Gasterfeld in die Stadt oder zum Bahnhof mit Gepäck
zurückzulegen.
Bekommen die Flüchtlinge Geld?
Ja, in
Hessen bekommen sie keine Esspakete wie beispielsweise in Bayern, sondern
sie erhalten einen monatlichen Betrag der wenig unter einem Hartz-IV-Betrag
liegt.
Wie verbringen die Flüchtlinge ihre Tage?
Sie dürfen nicht arbeiten gehen. Also halten sie ihre Räume in Ordnung,
gehen einkaufen, kochen oder fahren nach Kassel zur Ausländerbehörde, wenn
Formalitäten geregelt werden müssen. Eigentlich gibt es immer Kinder, die
vor dem Haus spielen und Eltern, die dort erzählend sitzen. Es ist schön,
sich einfach dazuzusetzen. Gern übernehmen Einige von ihnen gemeinnützige
Tätigkeiten, um einfach unter Leute zu kommen und etwas zu tun zu
haben.
Wie ist die Stimmung im Haus?
Die Wolfhager
Flüchtlinge fühlen sich grundsätzlich sehr wohl bei uns. Sie spüren, dass
ein kleiner Ort eher persönliche Unterstützung bieten kann als
beispielsweise Kassel. Viele sagen, sie würden gern hier wohnen bleiben,
wenn sie hier Arbeit finden könnten. Belastend ist die Enge und der Lärm im
Haus: Knapp 30 Personen teilen sich eine Küche, WC und Duschen sowie einen
Flur. Und das andere Problem ist die Entfernung zum Ort bzw. Bahnhof oder
Arzt. Auch drückt die Untätigkeit auf die Stimmung, denn es sind meist junge
Menschen, die etwas aus ihrem Leben machen möchten. Alle wollen dringend
Deutsch lernen, aber Deutschkurse werden nicht finanziert.
Wie kann die Wolfhager Bevölkerung die Flüchtlinge noch
unterstützen?
Das Eingepferchtsein in ein
Mannschaftsgebäude der ehemailigen Kaserne, in Zimmern mit dem Niveau von
Jugendherbergen der 60er Jahre, belastet die Bewohner, gern würden sie
Privatwohnungen anmieten. Das Sozialamt schließt Mietverträge, aber man kann
keine mehrjährige Mietdauer versprechen. Wer eine Wohnung zur Verfügung
stellen kann, hilft sehr. Man kann sicher sein, dass man interessante, aber
auch sorgfältige Mieter bekommt, denn das Sozialamt sieht sich die
Flüchtlinge sehr genau an, bevor sie eine Wohnung erhalten dürfen.
Eine andere Schwierigkeit ist der Respekt, der auch Flüchtlingen
zukommen sollte. So hört man durchaus im Supermarkt dumme Bemerkungen oder
Flüchtlinge zusammen mit begleitenden Ehrenamtlichen müssen im Wartezimmer
eines Arztes bis zuletzt warten, auch wenn ein Termin ausgemacht wurde. Die
Ehrenamtlichen fühlen sich häufig als lästige Bittsteller.
Der Arbeitskreis Flüchtlinge hat ein Spendenkonto eingerichtet, das
die ehrenamtliche Arbeit unterstützt: So könnten die Kosten für
Begleitfahrten zu ärzten und ämtern erstattet werden, oder ein
Unterrichtswerk für das Deutschlernen könnte angeschafft werden, das es auch
Laien erlaubt, die deutsche Sprache zu vermitteln.
Was leistet Kirche in diesem Zusammenhang?
Besonders hilfreich ist die diakonische Flüchtlingsberatung, die allerdings
in Kassel ihren Sitz hat. Dort finden Flüchtlinge Informationen über den
Verlauf des Asylverfahrens, über Rechtsanwälte bei Einsprüchen gegen das
Verfahren. Aber auch die Ehrenamtlichen können sich jederzeit bei
Unsicherheiten Unterstützung holen. Dieser Kontakt erweist sich als
segensreich. Aber auch die Vernetzung innerhalb einer Kirchengemeinde führt
zu schneller Unterstützung, wo Not deutlich wird.