Dekan Dr. Gernot Gerlach



Der Sonntag

ist nicht in Gefahr



Friedensverantwortung

und Schöpfungsverantwortung

Wir setzen unsere Serie fort mit DR. GERNOT GERLACH. Er ist seit 2000
Dekan des Kirchenkreises Wolfhagen mit der Pfarrstelle Wolfhagen 1.

Hätten Sie nicht manchmal gern mehr Zeit für die Gemeinde – bei
all den Aufgaben, die ein Dekan zu erledigen hat?

Ich freue mich über die Zeit, die ich habe und die ich für die
Wolfhager Kirchengemeinde und andere Kirchengemeinden nutze. Für die
Menschen und ihre Anliegen bin ich da. Neben der Seelsorge bringe
ich mich gerne ein im Gottesdienst, in der Bildung, der Gebäude, in
der ökumene, bei Fragen der Lebensbedingungen der Kinder,
Jugendlichen, der Männer und Frauen, der Flüchtlinge, der älteren,
wozu auch die Stiftung Altersheim Wolfhagen und die
Gesundheitsversorgung mit dem Kreiskrankenhaus gehört, um einige
Beispiel zu nennen. Meine Mitarbeit in der Kirchengemeinde drückt
sich vielfach aus zusammen mit dem Kirchenvorstand und
den Pfarrerinnen und dem Pfarrer des Pfarramtes. Als Dekan
unterstütze und fördere ich die
Kirchengemeinde Wolfhagen und die Kirchengemeinden im Kirchenkreis,
indem ich mich für hilfreiche Bedingungen bei allen Veränderungen
einsetze, mit denen wir es in der Kirche und der Gesellschaft zu tun
haben.

Dabei ist alles begrenzt und bruchstückhaft. Das ist mir bewusst.
Ich halte es mit der biblischen Weisheit, die Frohe Botschaft von
Jesus Christus zur “Zeit oder zur Unzeit” beherzt zu
verkündigen.

Archäologische Fachtagung

Bei der Archäologischen Fachtagung im vergangenen Jahr: Dekan Dr.
Gernot Gerlach im Gespräch mit Dechant Harald Fischer (links) und dem
Wolfhager Gemeindeglied Karl-Heinz Deiß.

Welche Entwicklung sehen Sie für den Kirchenkreis Wolfhagen im
Rahmen des Reformprozesses der Evangelischen Kirche von
Kurhessen-Waldeck? Denn die Vorgaben für die Größe
von Kirchenkreisen mit 25 bis 40 Pfarrstellen sollen bis 2015
freiwillig umgesetzt, bis 2017 vom Rat der Kirche entschieden
werden?

Ja, es ist richtig und vielfach öffentlich diskutiert, dass der
Kirchenkreis Wolfhagen ebenso wie der Kirchenkreis Hofgeismar nach
den Vorgaben des Rates der Evangelischen Kirche von
Kurhessen-Waldeck zu klein ist. In unserer Kirche streben wir große
Kirchenkreise an. Dabei hat sich unser Kirchenkreis mit seiner
90jährigen Geschichte seit 2001 profiliert und konstruktiv in den
Reformprozess eingebracht. Der Kirchenkreis Wolfhagen hat sich stets
dynamisch und engagiert weiterentwickelt, um die frohe Botschaft von
Jesus Christus in Wort, Musik und Tat miteinander in dieser Region
zu leben.

Die größte Enttäuschung war das Scheitern der Reformarbeit in der
Region Kassel, weil zwei Nachbarkirchenkreise einen eigenen Weg
gegangen sind. Mit dem Kirchenkreis Hofgeismar haben wir seit Jahren
vielfältige Kooperationen im Bereich der Diakonie, der kirchlichen
Verwaltung und der Bildungsarbeit für evangelische
Kindertagesstätten. Wir nutzen die Zeit und arbeiten an einer neuen
Gestalt eines größeren Kirchenkreises, der seine Aufgabe für die
Kirchengemeinden in der Region zu erfüllen hat. In diesem
Zusammenhang haben wir Verhandlungen aufgenommen, um ein neues
gemeinsames Diakonisches Werk in der Region Kassel zu bilden. Es
werden Gespräche zu einer neuen Verwaltungsstruktur der kirchlichen
Verwaltung in der Region Kassel geführt. All diese Themen sind
Bestandteil der Kirchenkreisreform in der Region. Mit dem
Kirchenkreisvorstand und der Kreissynode stellen wir uns den
Anforderungen und gehen zuversichtlich ans Werk.

In den letzten Jahren habe ich beobachtet, dass mehr und mehr
Veranstaltungen auf die Gottesdienstzeiten gelegt werden. Ist der
Sonntag in Gefahr? Und: Wie reagieren die Gemeinden des
Kirchenkreises auf diese Entwicklung?

Der Sonntag ist nicht in Gefahr, weil er uns um Gottes willen als
Freiraum und Spielraum des Lebens geschenkt ist. Wir diskutieren in
der Gesellschaft, wie wir diese geschenkte Zeit der heilsamen
Unterbrechung der Arbeit und der Zweckmäßigkeit eines einseitigen
wirtschaftlich ausgerichteten Lebens für die Menschen gestalten. Es
gibt unterschiedliche Haltungen je nachdem, wie Einzelne ihr Leben
verstehen. Wir setzen uns als Kirche dafür ein, den Freiraum des
Sonntags für die Begegnung mit Gottes Wort und miteinander vielfach
zu gestalten. Mir liegt es am Herzen, dass wir
Terminüberschneidungen vermeiden, denn alles hat seine Zeit. Eine
Möglichkeit ist, dass wir in den Kirchengemeinden mit den Vereinen
Festgottesdienste zu festlichen Anlässen feiern. Wir bringen in den
Nachbarschaften der Kirchengemeinden neue Akzente ein wie z. B. den
Kirchentag “Komm mal rüber” mit dem einladenden Programm, von Kirche
zu Kirche zu wandern und gemeinsame Gottesdienste zu feiern.
Beispielhaft gibt es den BONWAI-Gottesdienst der Kirchengemeinden
Bründersen, Oelshausen, Nothfelden, Wenigenhasungen, Altenhasungen,
Istha. Ich werbe darum, dass wir besonders in der Arbeit mit
Jugendlichen keine falschen Konflikte zeitlicher Art produzieren,
sondern abgestimmt Angebote entwickeln.

Gerade war der Jugendkirchentag in Istha. Da gab es auch Kritik an
der Musik. Aber das Echo war doch wohl eher positiv?

Der zweite Jugendkirchentag des Kirchenkreises war ein Ausdruck,
wie wir mit jungen Menschen Formen der Begegnung, des
Gottesdienstes, der Feier gemeinsam entwickeln. Musik gehört dabei
unbedingt dazu. Es ist beeindruckend, wie junge Menschen so auch die
Ten Sing-Gruppe aus Ehringen mitgewirkt haben. Es gab ein weites
musikalisches Spektrum. Die Diskussion darüber, dass diese
vielfältige Musik einigen nicht gefallen hat, ist von den
Jugendlichen konstruktiv aufgenommen worden. Bei unseren über 2.000
verschiedenen Gottesdiensten, die wir im Jahr feiern, freue ich
mich, dass wir eine bunte Vielfalt haben, so dass jeder und jede das
findet, was im Glauben stärkt.

Welche Schwerpunkte setzt der Kirchenkreis Wolfhagen in den
nächsten Jahren?

Dem Kirchenkreis Wolfhagen geht es darum, miteinander den
christlichen Glauben an einem von Gott gedeckten Tisch in der Region
zu leben. Damit sind Schwerpunkte verbunden, Gottesdienste in großer
Vielfalt und Lebendigkeit in unseren mit viel Liebe renovierten
Kirchen zu feiern, den Glauben den Kindern und Jugendlichen
einladend zu vermitteln und dabei das Amt für evangelische
Jugendarbeit des Kirchenkreises neu auszurichten, die Kräfte zu
bündeln und profiliert einzubringen, bei der Dorf-und
Regionalentwicklung im Landkreis mitzuwirken, neue
Nutzungsmöglichkeiten von Gemeindehäusern, Dorfgemeinschaftshäusern
und Vereinshäusern gemeinsam zu finden, die diakonische Arbeit bei
der demographischen Entwicklung nahe bei den Menschen zu
profilieren, aktiv am Demografie Dialog mitzuwirken, die
Flüchtlingsarbeit als politische, gesellschaftliche und
kirchlich-diakonische Aufgabe zu gestalten, die Fragen zur
bedrängten Schöpfung Gottes konstruktiv zu bearbeiten, die
ökumenische Dimension zu leben, die Friedensverantwortung angesichts
vielfältiger Konflikte zu stärken, die Zusammenarbeit der
Kirchengemeinden in den Nachbarschaften im Kirchenkreis zu fördern,
die über 1.500 Ehrenamtlichen und Pfarrerinnen und Pfarrer zu
begleiten und zu fördern, den Reformprozess verantwortlich zu
gestalten. All unser Tun und Lassen möge mit leidenschaftlicher
Gelassenheit geschehen zum Lobe Gottes!

In Wolfhagen gibt es eine lebendige ökumenische Entwicklung. Ist
das auch in anderen Gemeinden des Kirchenkreises so? Und: Kommt man
auf dem Weg der Einheit weiter?

Wir haben in den
Kirchengemeinden des Kirchenkreises ein gutes ökumenisches Gespräch.
Die Kirchengemeinden des Katholischen Pastoralverbundes St. Heimerad
Wolfhager Land, der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche
und des evangelischen Kirchenkreises arbeiten gut
miteinander, feiern gemeinsame Gottesdienste, unterstützen sich,
beten füreinander und arbeiten zusammen. Diese Entwicklung begrüße
ich sehr. Wir gehen beherzt Schritte eines gemeinsamen Zeugnisses
als Schwestern und Brüder Jesu Christi. Bei aller Verschiedenheit
führt dieses gemeinsame Eintreten für das Evangelium weiter. Dieses
Zeugnis tut den Kirchen und der Welt gut.


Herzlichen Dank für das Gespräch, lieber Herr Dekan. Wir
wünschen Ihnen eine schöne Sommerzeit.

Die Fragen stellte für die Homepage-Redaktion Günther Dreisbach.