Keine Angst
um den Nachwuchs
Kirchenmusik ist gut aufgestellt
Haben Sie bei der Fülle Ihrer Aufgaben eigentlich noch Zeit für
Privates?
Ja. Obwohl es oft schwierig ist, Privates nicht untergehen zu
lassen. Bei meinem Beruf ist die Grenze zwischen Privatem und Dienstlichem
sehr fließend. Wenn man das frühere Hobby zum Beruf gemacht hat, ist das
zwar zum einen der Idealzustand eines Berufslebens, birgt aber zum anderen
auch die Gefahr, dass man sich in seinen Tätigkeiten völlig verliert. Wenn
ich merke, dass Simone und ich lange nicht mehr im Kino waren, oder dass
unsere Doppelkopfrunde abgesagt werden muss, oder der Garten, den ich sehr
liebe, nicht genug Pflege erfährt, dann ist es höchste Zeit, beruflich ein
bisschen zurückzuschrauben. Glücklicherweise gibt es immer wieder auch
Zeiten, wo das gut möglich ist.
Sie legen Wert auf eine gute musikalische Präsenz in den Gottesdiensten.
Warum ist die so wichtig?
Musik in den Gottesdiensten unserer Gemeinde zu machen, ist der
eigentliche Sinn und Zweck der ganzen kirchenmusikalischen Arbeit. Alle
Musik, die wir in den wöchentlichen Proben erarbeiten, erklingt deshalb
irgendwann in einem unserer Gottesdienste. Eine Ausnahme bildet da lediglich
die Kreiskantorei, die außer den Kantate-Gottesdiensten einmal im Jahr ein
Oratorium aufführt, das wegen seiner zeitlichen Länge meist nicht in einem
Gottesdienst Platz finden kann. Aber z.B. soll die Johannes-Passion von Bach
nächstes Jahr im Karfreitagsgottesdienst aufgeführt werden. Kinder- und
Kükenchor singen ca. einmal pro Quartal im Gottesdienst, Seniorenchor und
Musicalchor ca. alle sechs Wochen, und Posaunenchor und Kirchenchor sogar
einmal monatlich. Daneben gibt es noch unsere Bläseranfängergruppe, die
gelegentlich mitwirkt, und natürlich viele Instrumental- oder
Gesangssolisten.
Müssen nicht, um mehr junge Menschen an die Kirche zu binden, mehr
moderne Lieder gesungen werden?
Jein. Nach meinem Eindruck mögen junge Menschen nicht
ausschließlich moderne Lieder, sondern sind auch durchaus aufgeschlossen für
Traditionelles. Ein Lied ist ja auch nicht deshalb gut, weil es neu ist. Das
Gesangbuch ist eine Sammlung von Liedern, die alle irgendwann einmal modern
waren. Aber vor allem ist es eine Sammlung dessen, was qualitativ wirklich
gut ist. Moderne Lieder müssen immer wieder entstehen, müssen ausprobiert,
geliebt oder verworfen werden, und das Beste davon wird irgendwann Eingang
in ein neues Gesangbuch finden. In diesen Auswahlprozess müssen junge Leute
natürlich besonders einbezogen werden, denn sie bilden mit der
Entstehungszeit eines neuen Liedes und ihrem eigenen Alter eine Einheit. Sie
sind deshalb ein ganz deutlicher und wichtiger Indikator für aktuellen
Zeitgeschmack. Neue Lieder in Konfirmanden- und Jugendgruppen
auszuprobieren, ist deshalb etwas sehr Wichtiges.
Ihr neues Projekt ist das Musical LUX AETERNA, das im Herbst das Leben
der Kirchengemeinde weitgehend bestimmen wird. Wie viele Menschen werden
beteiligt sein, und was ist die zentrale Botschaft des Musicals?
Nach der aktuellen Liste wirken bei den Aufführungen des Musicals
169 Erwachsene und Jugendliche mit. Dazu kommen noch 87 Kinder aus Kükenchor
und Kinderchor, 25 Jugendliche aus zwei Tanzgruppen, ca. 20
Erwachsene für den Bereich Bühnenumbau, Licht- und Tontechnik und ca. 30
Instrumentalisten. Das macht in der Summe 331 Personen. Die werden aber zum
Glück nicht alle bei jeder Aufführung dabei sein, denn wir hätten sonst gar
keinen Platz für das Publikum. Wie viele Personen pro Aufführung mitwirken,
hängt von den Platzverhältnissen ab, die wir ganz genau erst im September
wissen, aber auch von der persönlichen Einsatzbereitschaft. Ein Kind aus dem
Kükenchor oder Kinderchor beispielsweise wird nur bei jeder zweiten oder
dritten Aufführung dabei sein, um es nicht zu überfordern. Es gibt dann
Mitwirkungspläne, aus denen sich die genaue Zusammensetzung jeder einzelnen
Aufführung ergibt.
Das Musical verwendet als Bausteine die Evangelien der sieben
letzten Sonntage des Kirchenjahres. Also zum Beispiel das Gleichnis von den
10 klugen und törichten Jungfrauen, das Gleichnis vom hartherzigen
Schuldner, das Weltgericht und die Seligpreisungen. Die Thematik ist eine
sehr endzeitliche, nämlich die innere Vorbereitung auf die Wiederkunft
Christi und verbunden damit der Blick auf das eigene Leben, auf Schuld und
Vergebung. Bei aller Ernsthaftigkeit dieses Inhalts haben Simone und ich
versucht, trotzdem ein unterhaltsames und fröhliches Stück zu schreiben, was
hoffentlich den Ausführenden und den Besuchern viel Spaß macht. Wir freuen
uns jedenfalls sehr darauf.
Bernd Geiersbach in seinem Element: Hier leitet er eine Probe des
Kirchenchores auf der Empore der Stadtkirche.
Muss der Kirchengemeinde und dem Kirchenkreis bange sein um den
Nachwuchs an Organisten, Sängern, Bläsern und anderen Musikern?
Nein.
Bei den Organisten haben wir heute deutlich größere Zahlen als
noch vor 40 Jahren, als ich anfing, Orgel zu spielen. Damals war der
Normalfall, dass ein Organist jahrein, jahraus jeden Sonntag in einer, zwei
oder sogar drei Kirchengemeinden Orgel spielte. Heute ist die Situation in
fast allen Gemeinden oder Kirchspielen so, dass sich mehrere Personen diese
Dienste aufteilen. Die meisten wollen heute einen Organistendienst nicht
mehr verpflichtend für jeden Sonntag eingehen, sondern auch die Möglichkeit
haben, mal am Wochenende zu verreisen oder etwas anderes zu tun.
Bei den Orgelschülern kann ich nur für den Zeitraum der letzten
30 Jahre sprechen. Und diese Zahlen sind – jedenfalls in unserem Wolfhager
Kirchenkreis – sehr konstant. Es gibt immer wieder junge Leute, die
Orgelspielen lernen wollen und auch gerne Organistendienste übernehmen. In
den Fortbildungskursen unserer Landeskirche in Schlüchtern sind die
Teilnehmerzahlen insgesamt etwas zurückgegangen, aber das hängt auch mit den
kleiner gewordenen Jahrgängen zusammen. Voraussetzung für konstante
Orgelschülerzahlen ist natürlich die regelmäßige Arbeit der Bezirkskantoren
auf dem Gebiet der Nachwuchsfindung, -unterrichtung und –betreuung.
Bei den Chören ist die Sache etwas schwieriger. Zwar haben wir in
den Kinderchören nach wie vor sehr große Zahlen. Aber bei den jungen
Erwachsenen ist das deutlich anders. Viele sind gerne bereit, projektweise
mitzumachen, scheuen aber eine ganz regelmäßige Mitwirkung in einem Chor.
Das ist eine Entwicklung, die in den Vereinen ganz genauso beobachtet wird.
Das kann man bedauern, wenn man mag, aber man kann auch versuchen, mit den
etwas weniger gewordenen regelmäßigen Chormitgliedern trotzdem schöne Musik
zu machen.
Keinen Grund zum Klagen haben die Posaunenchöre. In allen 15
Posaunenchören unseres Kirchenkreises gibt es aktive Nachwuchsarbeit, die
dafür sorgt, dass sich die Posaunenchöre immer wieder verjüngen und in ihren
Mitgliederzahlen konstant bleiben.
Und was die übrigen Musiker betrifft: Niemals hatten wir mehr
davon. Durch die umfangreiche Arbeit der Musikschule, durch Musikklassen und
Förderungsprogramme werden ganz erheblich mehr Musiker ausgebildet, als das
in früheren Zeiten der Fall war.
Noch einmal: Uns muss nicht bange sein um den musikalischen Nachwuchs in
unserer Kirche. Den gibt es nach wie vor, und Kirchenmusik ist eindeutig ein
wesentlicher Stabilitätsfaktor für aktive kirchliche Gemeindearbeit.
Herr Geiersbach, wir danken Ihnen für das Gespräch und wünschen Ihnen
weiterhin eine schöne Sommerzeit.
Das Interview mit Bernd Geiersbach hat Günther Dreisbach für die
Homepage-Redaktion geführt. Der nächste Interviewpartner ist Pfarrer Tobias
Gruber aus Heldrungen.