Gerlinde Hühn


Die Psalmen kann ich



immer noch auswendig


Gerlinde Hühn
über ihren Dienst als Pfarrerin
und Erinnerungen
an Wolfhagen

Wir setzen unsere Serie fort mit Gerlinde Hühn. Sie hat bis zum Jahr 1967
in der Evangelischen Kirchengemeinde Wolfhagen mitgearbeitet. Sie ist später
Pfarrerin geworden und ist in diesen Wochen als Dekanin in Geislingen an der
Steige (Württemberg) in den Ruhestand gegangen.


Im vergangenen Jahr waren Sie zu Ihrer Goldenen Konfirmation in
Wolfhagen. Das war ein Wiedersehen nicht nur mit Ihrer alten
Konfirmandengruppe, sondern auch mit Ihrer alten Gemeinde in einer
frisch renovierten Kirche. Wie haben Sie das empfunden?


Im Jahre 2007 hatte meine ehemalige Abiturklasse in sehr schönes
berührendes Klassentreffen “40 Jahr Abitur”; da kündigte sich die
anstehende Renovierung der Kirche an, und ich freute mich, dass sie zur
Goldenen Konfirmation fertig sein würde. Als ich nämlich vor 50 Jahren
konfirmiert worden bin, war die Kirche – wenn ich mich richtig erinnere
– auch gerade frisch renoviert worden, und wir hatten sie mit unserem
Konfirmator, Pfarrer Altrock, intensiv angeschaut. Leider waren bei
diesem Fest nur zwei aus meiner Klasse dabei, Ulla Vetter und ich. Ich
habe dieses Gebäude immer geliebt. Und freue mich, dass ich in den
letzten 19 Jahren in Geislingen in einer Kirche Gottesdienst halten
durfte, die einiges mit der Wolfhäger Heimatkirche gemeinsam hat: Gotik,
Basilika-Form, Glasfenster von Stockhausen. Schön fand ich immer, dass
man beim Hinausgehen mit dem letzten Vers des Matthäus-Evangeliums
gegrüßt wurde “Siehe ich bin bei euch alle Tage, bis an der Welt Ende”
Leider ist dieser Schriftzug getilgt worden.

Werner Nolte und Gerlinde Hühn

Bei der Goldenen Konfirmation im Jahr 2013 in Wolfhagen: Dekanin
Gerlinde Hühn und Kirchenvosteher Werner Nolte.


Können Sie am Ende Ihrer Dienstzeit als Pfarrerin und Dekanin sagen,
dass es Geschichten, Erlebnisse aus Ihrer Zeit in Wolfhagen gibt, die
Sie in Ihrem Pfarramt begleitet haben?


An viele interessante Diskussionen im Reliunterricht bei Frau Friede
oder Pfarrer Hertzberg kann ich mich erinnern. – Pfarrer Altrock sang in
jedem KU ein paar Choräle, so dass wir wenigstens die Melodien kannten.
Die Psalmen, die ich im KU gelernt habe, kann ich immer noch auswendig.
Auch das Lied, das wir im Konfirmationsgottesdienst 4 stimmig singen
mussten “Wohl denen, die da wandeln” kann ich noch heute, und es gehört
zu meinen Lieblingsliedern.


Pfarrer Altrock hatte einen theologischen Kreis für ältere Schüler, an
dem ich teilnehmen konnte, obwohl ich damals jünger als die anderen war:
Er gab mir den berühmten Bultmann –Aufsatz zu lesen, der mich sehr
beeindruckt und mein Denken befreit hat. Sehr engen Kontakt hatte ich
mit der Familie Wassermann. Dekan Wassermann leitete den
Vorbereitungskreis für die Kinderkirche, auch da haben wir viel
theologisch diskutiert. Das ich selber einmal Dekanin werden würde,
stand damals nicht im Horizont meiner Zukunftsträume. Oft habe ich mit
anderen jungen Frauen gesprochen, die Theologie studiert haben: z.B. die
Tochter meines Lateinlehrers Volkmann. Wir waren uns darin einig, dass
mehr Frauen Theologie studieren sollten.


Die älteste Tochter Wassermann hat – wie ich dann später – Mathematik
und Theologie studiert, das machte mir Mut, auch selber mit dieser
Fächerkombination anzufangen. Mit dem schwäbischen Diakon Rolf Vieser
hatte ich heftige Auseinandersetzungen um die historisch kritische
Methode der Bibelauslegung. Pfarrer Möller habe ich gerade noch aus der
Ferne als Gemeindepfarrer kennengelernt, später wurde ich dann für drei
Jahre seine Assistentin an der KiHo Wuppertal.


Sehr viel gegeben hat mir der Kunstunterricht bei Wolfgang Halfar,
besonders die kunstgeschichtlichen Teile des Unterrichts. Ich profitiere
immer noch davon, wenn ich im Urlaub Kirchen und Museen besuche. Oft
verwende ich in der Predigt Bilder, um den Gehalt des Glaubens auch noch
einmal von einer anderen Seite auszusagen. In den letzten Jahren habe
ich in den Sommerferien je 6 Kunstvorträge in der Geislinger Stadtkirche
gehalten. Darunter über den Naumburger Meister; ich kann mich gut an
einen Vortrag von Halfar über diesen bedeutenden Bildhauer
erinnern.


In Wolfhagen – und gewiss auch in Geislingen – gibt es eine große
Anzahl von ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und
Mitarbeitern. Wie sind Ihre Erfahrungen mit dem Ehrenamt und mit denen,
die dieses Amt wahrnehmen?


Es gibt immer wieder erstaunlich motivierte und treue ehrenamtliche
MitarbeiterInnen, die auch bereit sind, große Verantwortung zu
übernehmen. Bei der letzten Bezirksvisitation hatten die Gemeinde
zurückgemeldet, dass sie dringend Ehrenamtliche suchen. Daraufhin haben
wir ein Projekt Ehrenamt fördern mit System im Kirchenbezirk
durchzuführen versucht. Leider sind trotz der o.g. Aussage nicht viele
Gemeinden energisch eingestiegen. Ein Ergebnis ist aber die
Ehrenamtsseite auf der Homepage, auf der man sich eine passende
ehrenamtliche Tätigkeit aussuchen könnte. Es müssen sie nur noch mehr
Leute anklicken.


Dekan Wassermann hat am Ende seiner Dienstzeit – das war zu der Zeit,
als Sie Assistentin an der Kirchlichen Hochschule in Wuppertal waren –
als Summe seines Pfarrdienstes gesagt: »Es ist alles Gnade!« Gibt es aus
Ihrem Munde einen ähnlich bilanzierend plakativen Satz?


Während meines Studiums hatte ich immer als Motto den Satz von Jakob:
“Ich lasse dich nicht, du segnest mich denn”. Meine Abschiedspredigt
habe ich gehalten über das Thema: Der am Kreuz ist meine Liebe.


Und was ist jetzt dran, Frau Dekanin?


Da ich eine Supervisionsausbildung habe und KSA-Supervisorin (DGfP)
bin, werde ich wieder ins das Kurse-Leiten einsteigen, darauf freue ich
mich. – Selbstverständlich werde ich beim Predigtdienst aushelfen. –
Endlich habe ich auch wieder mehr Zeit, mich intensiver theologischen
Themen zu widmen, die ich für Gemeindevorträge ausarbeiten möchte, z.B.
“Wenn Gott gut ist, woher kommt das Böse?” – Wie ist der Kreuzestod zu
verstehen? Warum brauchen wir die Trinitätslehre? Etc. – Auch möchte ich
reisen und alte Freundinnen besuchen.
– Vielleicht einiges Berufs-Biografisches aufschreiben, denn ich habe
Theologie studiert bevor die Pfarrerinnengesetze in den Landeskirchen
verabschiedet waren.
Ich möchte mich der Förderung von Frauen im
der Landeskirche widmen.

Frau Dekanin Hühn, wir danken Ihnen für dieses Gespräch und wünschen
Ihnen für Ihren Ruhestand alles Gute und die Barmherzigkeit Gottes.