www.kirche-wolfhagen.de: Am gestrigen Sonntag
hatten wir den ersten Themengottesdienst zum Musical. Ihr Premierenbericht
endete mit der Erwartung, dass sich in den sieben, dem Musical folgenden
Gottesdiensten Fragen klären könnten. War das so?
Ursula Muth: Genau, die Bedeutung der Zahl sieben wurde deutlich
und auch, warum die Schöpfungsgeschichte im Musical mit den Lesetexten zum Ende
des Kirchenjahres verbunden wurde. Dekan Dr. Gernot Gerlach führte aus, dass die
“7” in der Bibel für die Vollkommenheit Gottes steht. Der siebte Schöpfungstag
ist der Höhepunkt seines des Handelns, damit erfüllte sich der Plan, die
Lebensfülle ist vollkommen. Aber schon mit Kain und Abel beginnt das Aufrechnen,
und im Text zum Gleichnis fragt Petrus: “Wie oft muss ich vergeben?” Jesus
beschreibt daraufhin das Himmelreich, in dem 7-mal-70-mal, eben vollkommen
vergeben wird. Hier zeige sich die Gnade Gottes. Der Zuhörer von heute fühlt
sich plötzlich als Teil dieser Geschichte und erkennt das Himmelreich mit seiner
zugewandten Haltung Gottes in unserer Welt.
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: Und wie haben sich die Musicalteile in den Gottesdienst
eingeordnet?
Ursula Muth: Das Eingangsstück war natürlich “Lux
aeterna”. Dieses Mal mit Orgelbegleitung und reduziertem Chor, aber auch in
Schwarz, aufgestellt im ganzen Kirchenraum, eindrucksvoll die Musik mit Gesten
untermalend. Dieses Mal erlebt der Zuhörer, die Zuhörerin schon einen
Wiedererkennungseffekt, ich freue mich und erkenne neue Einzelheiten, wie zum
Beispiel den Dialog zwischen Chor, der gut hörbar war, und den beiden
Solistinnen, die wieder wunderbar gesungen haben und damit besonders berühren.
Inzwischen weiß ich als Protestant auch, dass Lux aeterna Teil der katholischen
Kommunionfeier ist. Das gibt dem Stück für mich ein neues Gewicht.
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Und die Schauspielszene?
Ursula Muth: Andrea freute sich wieder über den
Schuldenerlass, ist genervt von den männlichen Touristen und kanzelt ihre
Freundin Ulrike wegen des kleinen Autoschadens ordentlich ab. Heute spielten die
Schauspieler meiner Meinung nach noch viel lockerer, wie schon in der Premiere
sehr geschickt, ausdrucksstark und gut verständlich. Es macht Spaß, dabeizusein.
Und da die Szene in der Eingangsliturgie zusammen mit der Lesung erlebt wurde,
war die übersetzung des Gleichnisses ins Heute besonders deutlich.
Die Kirchenfrauen und der Chor sangen mehrfach das 7-mal-70mal, die
Jugendlichen standen mit dem Bechertanz an den Bänken – das war eingängig und
mitreißend, ich war richtig begeistert. Und was mir natürlich Spaß machte, war,
dass der Eritreer neben mir das 7-mal-70mal im Sprachunterricht gelernt hatte
und jetzt richtig wach wurde. Das wurde so eingehämmert, das vergisst keiner
mehr. Das Gleichnis haben wir nämlich im Sprachunterricht in schlichten
Aussagesätzen und reduziertem Wortschatz miteinander gelesen und
diskutiert.
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: Ist das
Musical vor allem für Wolfhager verständlich, oder kann man auch auswärtige
Gäste gut einladen?
Ursula Muth: Alles, was sich im Chorraum und in der
Musik abspielt ist für jeden Besucher, jede Besucherin faszinierend. Gut, die
Szenen mit den auf die Gemeindeglieder zugeschnittenen Charakteren haben
natürlich Lokalkolorit. Aber auch da stecken Erfahrungen drin, die “man” so aus
Kirchengemeinden kennt:
-
Die Sorge um die Heiligkeit des Kirchenraumes, wenn sich heutige
Kinder davon nicht mehr beeindrucken lassen, -
der zu spät kommende Pfarrer oder Kantor und die verzweifelt
engagierte Ehrenamtliche, – belästigte Konfirmandinnen und Konfirmanden, –
die Pfarrerin, die man nicht versteht, – die Pfarrerin, die noch mal eben
zwischendurch den Getränkehändler empfangen muss, - die aufoktroyierte Kirchensteuer,
- alte Pflanzen im Kirchenraum,
-
Suche nach Strategien, die Gemeindeglieder in die Kirche zu
holen, und wenn es eine Aluminiumfeier ist. Da findet man noch
mehr.
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Worauf bezog sich Ihre pädagogische überlegung am Schluss Ihres
Berichtes?
Ursula Muth: Mir war bei allen vorbereitenden
Erläuterungen von Herrn Geiersbach nicht klar, dass die Gemeinde hier in einen
siebenwöchigen Lernprozess über die Endzeittexte eingebunden wird. Sieben Wochen
bekommen wir in Häppchen Botschaften, die als Ganzes in einem Musicalabend nicht
zu verdauen sind. Durch die mehrfache Wiederholung des Gesamtzusammenhangs wird
das Gelernte immer wieder neu aktiviert. Wir sagen in der Schule, es wird
vertieft. In der heutigen kompetenzorientierten Didaktik spricht man von
“Lernaufgabe” bei so einem Projekt.
Außerdem ist es ein Lernprozess für jeden, der an Gemeindeaufbau
interessiert ist. Hier kommen auf einmal sehr viele Leute in die Kirche, und
zwar jeden Alters, jeder Bildung, egal, ob kirchennah oder kirchenfern. Und da
Herr Geiersbach in den Chören über die Jahre arbeitet, ist das kein
kurzfristiger Effekt.
Es ist auch ein Lernprozess für die, die die Konfirmandinnen und
Konfirmanden der Gemeinde betreuen. Verblüffend, wie motiviert diese
Altersgruppe im Musical und auch im Gottesdienst auftritt. Der Bechertanz
funktioniert einwandfrei, und beim Abgang stellt jeder, stellt jede den Becher
zurück in den Stapel. Ich war gespannt, ob der Stapel umfallen würde. Aber nein,
sie haben irgendwann einen zweiten Stapel zu bauen angefangen.
Auch habe ich beobachtet, wie die Schirmtänzer des Musicals aus dem
Kirchenraum gerannt kamen, die Schirme zusammenklappen und auf eine Seite des
Turmraums warfen. Zwei Knaben blieben stehen und sammelten sie freundlich ein
und brachten sie weg. Bis Jugendliche zu so einem Verhalten bereit sind, müssen
sie ganz schön motiviert werden, aber es geht!
Da wird die Lehrerin in mir
wach, und es entsteht ein Projekt im Kopf, das den Konfirmandenunterricht
mit dem Musical verbindet. Eine Konfirmandenstunde sollte
unbedingt im Musical stattfinden, und dann könnte man ….