Die ärmel aufkrempeln
Ordinationsjubiläum in Wolfhagen
Der Palmsonntag war für die Evangelische Kirchengemeinde ein Festtag.
Und ein besonderer Festtag war es für Wolfgang Dietrich, Gerhard Schulz,
Ehrhardt Wichmann, Ernst Wittekindt und Renate Ziegler. Und ein ganz besonderer
Festtag war es für Renate Ziegler.
Für Renate Ziegler war es ein Festtag, weil sie vor 50 Jahren als
erste Frau in der Evangelischen Landeskirche von Kurhessen-Waldeck (so war die
damalige Bezeichnung noch) zur Pfarrerin ordiniert wurde. Für die fünf damals
Ordinierten war es ein Festtag, weil sich an diesen Tag eine segensreiche
Tätigkeit als Pfarrer und Pfarrerin anschloss und nun Gelegenheit war, dankbar
darauf zurückzublicken. Und für die Kirchengemeinde war es ein Festtag, weil sie
diesen Tag zum Anlass nehmen konnte, dankbar an dieses Fest zu erinnern.
Pfarrerin Ursula Breul erinnerte auch an Gerhard Wehmeier und an Ingeborg
Köbberling, die in 1962 ebenfalls ordiniert wurden, die aber schon verstorben
sind.
Wertschätzung der Kirche
Das Wetter stimmte an diesem Palmsonntag. Gut gelaunt kamen die Gäste
nach Wolfhagen und freuten sich über ein Wiedersehen. Auch der Bürgermeister,
das Geburtstagskind des Tages, ließ es sich nicht nehmen, den Gottesdienst
mitzufeiern und die Glückwünsche der Prälatin entgegenzunehmen. Dass Prälatin
Marita Natt, die geistliche Vertreterin des Bischofs der Evangelischen Kirche
von Kurhessen-Waldeck, nach Wolfhagen gekommen war und erstmals in der
renovierten Kirche einen Gottesdienst mitfeierte, war auch ein Stück
Wertschätzung für eine Frau und vier Männer, denen die Kirche viel zu verdanken
hat.
Niemals eine Kanzel betreten
Die Gemeinde hatte sich ordentlich rausgeputzt. Die Kirchenfahne war
gehisst, die Sonne schien, die Lichtszene „Festgottesdienst“ war
eingeschaltet und – der schönste Schmuck einer Kirche – zahlreiche
Gottesdienstbesucher waren gekommen. Unter den Klängen einer Pachelbel-Toccata,
von Kirchenmusikdirektor Bernd Geiersbach an der Orgel gespielt, zog das
liturgische Personal zusammen mit den Jubilaren in die Stadtkirche ein. Und dann
zelebrierten die sechs Frauen am Altar einen wunderschönen Gottesdienst, der
nicht nur den Jubilaren, sondern der ganzen Gemeinde noch lange in Erinnerung
bleiben wird. Und wenn man das erlebt hat, kann man gar nicht glauben, dass in
Wolfhagen wirklich einmal jemand gesagt haben soll, wie der Bürgermeister zum
Besten gab, dass unter dem „alten Dekan“ niemals eine Frau eine Kanzel
betreten hätte.
Christsein lebt vom Bekenntnis
Prälatin Marita Natt hielt eine Predigt über einen „wunderbar
geeigneten“ Predigttext aus dem Jesaja-Buch, sprach von den Erfahrungen des
inneren Rufes und dass man ohne diesen Ruf nicht Mitarbeiter sein könne. Mit
Gottes Ruf sei jeder Tag ein Neuanfang. Sie machte den Zuhörern Mut, „alle
Morgen neu“ bereit zu sein, auf den Ruf Gottes zu hören.
Christsein lebe vom Bekenntnis, betonte die Prälatin weiter und wies
auf die Christenverfolgungen in Syrien hin. „Ins Angesicht geschlagen und
verhöhnet“ – wie Christus kämen sich viele Christen in Syrien momentan vor.
Angesichts vieler Nöte in der Welt gebe es immer auch die Frage nach dem
„Warum“. Da sei es ein großes Geschenk, wenn einem Gott „die
rechte Zunge“ gebe. Und dann wies sie darauf hin, dass Christen – nicht nur
Pfarrerinnen und Pfarrer – ein Amt haben, das die Versöhnung predigt. Da gelte
es, die ärmel aufzukrempeln und widerständig zu sein, wo Gottes Angesicht vor
der Welt in Frage gestellt werde. Zum Schluss wünschte die Prälatin den
Zuhörern, dass sie morgens aufwachen und ein frohes Halleluja singen. Christen
könnten das – auch in schwieriger Zeit.
Kirchenmusik gehört dazu
Die Gemeinde feierte dann Abendmahl und machte dadurch noch einmal in
besonderer Weise deutlich, was die Gemeinschaft ausmacht unter Christinnen und
Christen. Die Kreiskantorei – natürlich an diesem Sonntag „nur“ die
Frauenabteilung – gestaltete den Gottesdienst wundervoll mit und machte dadurch
deutlich, dass Kirchenmusik kein Anhängsel oder Umrahmung eines Gottesdienstes
ist, sondern fester Bestandteil und nicht weniger wichtig als andere liturgische
Teile.
Nach 1 1/2 Stunden war der Gottesdienst vorbei. Und dann hatten die
Prälatin, die Jubilare und die Pfarrerinnen Gelegenheit, sich in das Goldene
Buch der Stadt Wolfhagen einzutragen. Das war auch 1962 schon so, als der
damalige Bürgermeister Oswald Schröder den Prälaten und die Ordinanden zum
Eintrag bat.
Wolfhagen hat hohe Bedeutung
Danach hatte die Kirchengemeinde die Jubilare zum Mittagessen ins
Gemeindezentrum eingeladen. Da wurden Erinnerungen ausgetauscht. Und da machte
Ernst Wittekindt, der Sohn des damaligen Dekans noch einmal deutlich, welche
hohe Bedeutung Wolfhagen für die Landeskirche hat: Pfarrer Kalden wurde Propst
in Kassel, die Tochter des Lehrers Wienold ist heute Pröpstin und der in
Wolfhagen ordinierte Gerhard Wehmeier war Vorgänger von Reinhold Kalden im
Propstamt. Er berichtete aber auch aus seiner Jugendzeit im zweiten Weltkrieg,
wo der Lehrer bei einem Luftangriff alle in den Bunker befahl und zu ihm sagte:
„Du glaubst an Gott. Du bleibst in der Klasse.“ Er machte in seinem
Grußwort auch deutlich, dass er ohne die Unterstützung seiner Frau nicht das
hätte tun können, was er in seinem Amt getan hat. Schließlich habe seine Frau
ihren Beruf als Juristin aufgeben müssen, damit er Pfarrer werden konnte. –
Renate Ziegler berichtete in einem weiteren Grußwort von ihrem schweren Anfang
und wie sie sich in der Männerdomäne habe durchsetzen müssen.
Und dann gab es noch wunderbaren Schokoladenpudding und das Fest war
zu Ende. Dankbar waren die Jubilare und die Gemeinde für das Miteinander.
Vikarin Andrea Brede-Obrock, Pfarrerin Brigitte Engelhardt-Lenz,
Pfarrerin i. R. Erika von der Fechte, Kirchenvorsteherin Renate Dreisbach,
Pfarrerin Ursula Breul und Prälatin Marita Natt gestalteten gemeinsam den
Abendmahlsgottesdienst zum Palmsonntag.
Treffpunkt Dekanat: Renate Dreisbach, Pfarrerin Ursula Breul,
Pfarrerin Marita Fehr (Altenhasungen), Pfarrerin Susanna Ristow (Volkmarsen) und
Pfarrerin Brigitte Engelhardt-Lenz (Baunataler Diakonie) treffen letzte
Absprachen.
1962 gab es kein Gruppenfoto. Fünfzig Jahre später stellten sich die
Jubilare zusammen mit den Liturginnen und anderen Pfarrerinnen am Nodportal der
Stadtklirche auf. Obere Reihe (von links:) Pfarrer i. R. Gerhard Schulz, Pfarrer
i. R. Ehrhardt Wichmann, Dekan i. R. Ernst Wittekindt, Dekan i. R. Kirchenrat
Wolfgang Dietrich, Pfarrerin Susanna Ristow, Pfarrerin Stefanie Klüppel mit
Sohn, Dekan Dr. Gernot Gerlach;vordere Reihe: Pfarrerin Brigitte
Engelhardt-Lenz, Pfarrerin Ursula Breul, Kirchenvorsteherin Renate Dreisbach,
Prälatin Marita Natt, Pfarrerin i. R. Erika von der Fechte, Vikarin Andrea
Brede-Obrock, Pfarrerin i. R. Renate Ziegler, Pfarrerin Elke Gaiser und
Pfarrerin Marita Fehr.
Nicht ganz gefüllt war die Stadtkirche, als die Jubilare, angeführt
von Pfarrerin Ursula Breul und Vikarin Andrea Brede-Obrock, zum Gottesdienst
einzogen.
Prälatin Marita Natt trägt sich ein in das Goldene Buch der Stadt
Wolfhagen. Aufmerksam verfolgt indes Pfarrer i. R. Gerhard Schulz die
Ausführungen des Bürgermeisters.
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