Birgit Basteck

Hier ist nicht Jude noch Grieche,


hier ist nicht Sklave noch Freier,


hier ist nicht Mann noch Frau;


denn ihr seid allesamt einer


in Christus Jesus.

Galater 3,28

Was für eine tolle Botschaft: Durch unseren Glauben sind wir alle eins in Jesus
Christus! Es gibt keine Unterschiede zwischen den Menschen mehr – weder
national, noch sozial, noch in bezug auf das Geschlecht. Und man könnte
ergänzen: auch das Alter oder die Frage, ob jemand gesund oder krank ist, spielt
für den Glauben keine Rolle. Wir sind alle eins in Jesus Christus! Davon ist der
Apostel Paulus zutiefst überzeugt.


Die Unterschiede verschwinden

Ein Werbespot fällt mir ein. Es gibt ihn in mehreren Fassungen der bekannten
Telefonan-bieter. Man sieht die unterschiedlichsten Menschen mit ihrem I-Pad 5
telefonieren. Frauen und Männer, Alte und Junge, Schwarze und Weiße, ärmere und
Reichere aus allen Teilen der Welt. Man hört ihre verschiedenen Sprachen und
erlebt, mit welcher Freude und Anteilnahme sie mit ihren GesprächspartnerInnen
sprechen. Trotz ihrer Unterschiedlichkeit kommen sie sich nahe, sie sind sogar
irgendwie miteinander verbunden in der weltweit vernetzten Kommunikation. Auch
hier verschwinden die Unterschiede. Die Welt mit ihren Menschen ist ein globales
Dorf, vielfältig und bunt und gerade darum so interessant und lebendig.


Von Jesus berichtet

Zu Paulus‘ Zeiten gab es noch keine moderne Kommunikationstechnologie. Trotzdem
hat auch er schon versucht, die Menschen seiner Zeit zusammenzuführen. Paulus
war ein Missionar, der ausgedehnte Reisen unternommen hat, um fremden Menschen
das Evangelium von Jesus Christus nahezubringen. Er hat im wahrsten Sinn Grenzen
überschritten. Er hat sich Zeit genommen, um bei und mit den Menschen zu leben.
Er hat ihnen von Jesus Christus berichtet, von seinem Leben und Lehren, von
seinem Sterben und Auferstehen. Und er hat ihnen seinen Glauben und seine
Theologie nahegebracht. Beides war und ist in seiner Zeit wie in allen Zeiten
revolutionär.


Gemeinsam gebetet

Denn Paulus hat seine Missionsreisen im antiken römischen Reich unternommen.
Die römische Gesellschaft war stark hierarchisch gegliedert. Griechen galten als
gebildet und kultiviert, Juden gehörten zu den besiegten Völkern. Neben einem
ausgeprägten Bürgertum gab es minderprivilegierte Stände bis hinab zur
Sklaverei. Und Frauen und Männer waren auch im römischen Reich nicht
gleichberechtigt. Ihnen allen sagt Paulus zu: Durch den Glauben seid ihr eins in
Jesus Christus! Keiner ist mehr oder weniger wert als der andere. Denn ihr seid
alle getauft. Und durch diese Taufe habt ihr Christus angezogen und
seid zu Kindern Gottes geworden – gleich geliebt und gleich
geachtet. Und so haben sie in den urchristlichen Gemeinden tatsächlich
beieinander gesessen, haben gemeinsam gebetet und das Abendmahl miteinander
geteilt: die Griechen und Juden, die Sklaven und Freien, Frauen und Männer. Alle
eins in Jesus Christus.


Die Worte des Paulus umformulieren

Und wir heute? überschreiten wir noch solche Grenzen in unseren Gemeinden? Oder
haben wir uns nicht schon längst eingerichtet in unserem Schubladendenken, in
dem jeder und jeder seinen wohlgeordneten Platz hat? Unsere Gesellschaft ist
sicher freier als die des römischen Reiches. Das Grundgesetz garantiert uns
allen Freiheit und Gleichheit. Wir können und dürfen uns persönlich entfalten in
einem weiten Rahmen, der viel Individualität zulässt. Im Glauben eins sein mit
anderen? Das scheint heute kein Wert mehr zu sein. Das ist schade. Denn in
unseren Gemeinden könnte sich vieles neu bewegen, wenn Menschen einander wieder
als gleichwertig erachten und wahrnehmen könnten. Vielleicht müsste man dazu die
Worte des Paulus einmal umformulieren, um deutlich zu machen, wo unsere
unsichtbaren Grenzen uns voneinander trennen: “Hier ist nicht Alteingesessener
noch Neuzugezogener, hier ist nicht Hartz-IV-Empfänger noch
Vorstandsvorsitzender, hier ist nicht jung noch alt; denn ihr seid allesamt
einer in Jesus Christus.”

Wir alle sind auf Jesus Christus getauft. Wir haben durch die Taufe Jesus
Christus angezogen und sind Kinder Gottes geworden. Unser Glaube verbindet uns.
Und unser Glaube hat eine große Kraft. Er hat die Kraft, daß wir selbst
sichtbare und unsichtbare Grenzen überwinden können – wenn wir nur den ersten
Schritt dazu tun.



Gott,





Unendlich bist du – schenke mir Weite für mein Leben.





Allmächtig bist du – schenke mir Kraft für meinen Glauben.





Barmherzig bist du – schenke mir Liebe für meine Nächsten und
mich.



Amen.

Die Autorin dieses Beitrages, Pfarrerin Birgit Basteck, ist seit 2004
Pfarrerin in Bründersen und in der Stiftung Altersheim in Wolfhagen.