Jürgen Günst

Sei getrost


und unverzagt,


fürchte dich nicht


und lass dich nicht


erschrecken!

1. Chronik 22,13

Ein Abrissbagger reißt eine schöne neugotische Kirche ein.
Dieses Bild aus der Presse beschäftigt mich schon sein einiger Zeit und bei
vielen Gelegenheiten muss ich daran denken. Es führt uns vor Augen, dass in
Deutschland und Europa viele Kirchen überflüssig geworden sind, auch bei
uns.

Beispiele finden wir ganz in der Nähe: So wurde die kleine katholische
Kirche in Bad Wildungen-Wega kürzlich abgerissen. Kirchen werden zu
Lagerräumen, Büros oder im schlechtesten Sinne zu Kneipen
umgewandelt.



Neue Heimat

Im Zusammenhang mit der Bibelstelle des Monats September musste ich an eine Begegnung bei einer Wanderung im Lossetal vor
einigen Jahren zurückdenken. Dort am Waldrand bei Fürstenhagen kamen wir zu
einer kleinen katholische Kapelle.





Maria
Hilfe der Christen“ war am Eingang zu lesen und die Tür stand
offen.




Eine alte Küsterin schmückte gerade den Altar mit Blumen. Hier
erinnere ich mich noch sehr gut, wie sie uns im
anschließenden Gespräch von den mühevollen Anfängen beim Bau der kleinen
Kirche im Jahr 1949 berichtete.


Die Heimatvertriebenen aus dem Sudentenland hatten sich damals, mit
viel Mühe und Eigenleistung, eine neue kirchliche
Heimat geschaffen. “Wir hatten viel Gottvertrauen und Zusammenhalt,
sonst hätten wir das nicht geschafft”, so berichtete sie uns. Die
Holzkirche war viele Jahre der Mittelpunkt des gemeinschaftlichen Lebens
der kleinen katholischen Gemeinde gewesen. Im Jahr 2008 wurde die
Kapelle aufgegeben.



Im Mittelpunkt: Der Tempel

“Sei mutig und stark ! Fürchte dich nicht, und verzag nicht”, der aktuelle
Monatsspruch aus dem 1. Buch der Chronik könnte über den Anfängen, aber auch
dem Ende, dieser kleinen Gemeinde stehen. Vom Ursprung her steht die
Bibelstelle im Zusammenhang mit dem Tempelbau in Jerusalem. Der
Tempel mit seinem Gottesdienst war der Mittelpunkt des nationalen und
religiösen Lebens. Der Verfasser, ein Levit aus Jerusalem, war in dieser
religiösen Welt tief verwurzelt. Auch damals herrschten Glaubensabfall und
Mutlosigkeit. Der Chronist stellt seinen Zeitgenossen das
Gegenmodell vor: Der Bund mit Gott, den er in der Person Davids erneuert sah
und der im Tempelkult seinen Ausdruck fand. Im Mittelpunkt dieses Glaubens
soll der Tempel in Jerusalem stehen, dessen Aus- und Umbau er in leuchtenden
Farben schildert.

Jahre später lesen wir folgenden Bericht des jüdischen
Geschichtsschreibers Flavius Josephus über die heilige Stadt: “Die Sieger
(Römer) machten alle übrigen Teile der Stadtmauer so völlig dem Erdboden
gleich, dass spätere Besucher kaum Grund zu glauben hätten, die Städte sei
jemals bewohnt gewesen”. Die Stadt Jerusalem war im Jahr 70 nach Christus
mit samt dem herrlichen Tempel untergegangen. Für viele Zeitgenossen war
damit “die Welt untergegangen”.

Anders für die Christen, “Kein Stein wird mehr auf dem anderen bleiben”
hatte schon Jesus angekündigt. Für den Evangelisten Lukas sind die Trümmer
des Tempels kein Vorzeichen des Untergangs. Die Geschichte geht weiter. Für
Christen gibt es eine Hoffung auf Zukunft. An diesem Tiefpunkt gewinnt das
Vertrauen auf Gott und seine Führung an Bedeutung.



Gottvertrauen des Chronisten

“Sei mutig und stark ! Fürchte dich nicht, und verzag nicht”, könnte auch
hier der Leitspruch aus dem Alten Testament für den Neuanfang gewesen sein.
Auch in ausweglosen Situationen kennt die biblische Hoffnung ein Trotzdem
und ein Danach.

Dies im Blick zu haben, kann uns in der heutigen Zeit viel Gram und
Niedergeschlagenheit anlässlich der aktuellen Situation des christlichen
Glaubens in unserem Land ersparen.

Schauen wir auf das Gottvertrauen des Chronisten 300 v. Chr. , auf die
Menschen in Jerusalem im Jahr 70 n. Chr. und auf die Christen, die im Jahr
1949 ihre kleine Kirche bauten: “Sei mutig und stark ! Fürchte dich nicht,
und verzag nicht”.


Dies gilt auch für uns heute immer noch.

Der Autor des Beitrags, Jürgen Günst (*1963) ist Gemeindereferent der
Katholischen Pfarrgemeinde St. Maria in Wolfhagen. Er wohnt in Naumburg.