Am letzten Sonntag vor der Adventszeit gedenken evangelische Christen traditionell in Deutschland ihrer Verstorbenen. Der sogenannte Totensonntag oder Ewigkeitssonntag geht auf König Friedrich Wilhelm Ill. von Preußen zurück, der diesen Gedenktag erstmals 1816 für das Ende des Kirchenjahres in Preußen bestimmte. An diesem Tag sollte unter anderem der vielen Gefallenen der Befreiungskriege 1813 bis 1815 gedacht werden, aber auch seine tiefe Trauer um die verstorbene Königin Luise 1810 bewegte den Monarch zu der Anordnung. Die anderen evangelischen Landeskirchen übernahmen die Bestimmung aus Preußen.
Der Totensonntag ist als „stiller Tag“ in allen deutschen Bundesländern, so auch in Sachsen und Thüringen, besonders geschützt.
Eingangslied
In der voll besetzten Stadtkirche feierte die Kirchengemeinde einen berührenden Gottesdienst.
Das Eingangslied aus dem Eplus ist längst vertraut:
Da wohnt ein Sehnen tief in uns, o Gott,
nach dir, dich zu sehn, dir nah zu sein.
Es ist ein Sehen, ist ein Durst nach Glück,
nach Liebe, wie nur du sie gibst.
…Um Heilung, um Ganzsein, um Zukunft bitten wir.
In Sorge, im Schmerz, sei da, sei uns nahe, Gott.
Psalmgedicht
Pfarrerin Ufholz nahm dieses Sehnen auf in einem Psalm von Huub Oosterhuis:
Ich steh vor dir mit leeren Händen, Herr.
Fremd wie dein Name sind mir deine Wege.
Seit Menschen leben, rufen sie nach Gott.
Mein Los ist Tod, hast du nicht andern Segen?
Bist du der Gott, der Zukunft mir verheißt?
Ich möchte glauben, komm mir doch entgegen.
Von Zweifeln ist mein Leben übermannt,
mein Unvermögen hält mich ganz gefangen.
Hast du mit Namen mich in deine Hand,
in dein Erbarmen fest mich eingeschrieben?
Nimmst du mich auf in dein gelobtes Land?
Werd ich dich noch mit neuen Augen sehen?
Sprich du das Wort, das tröstet und befreit
und das mich führt in deinen großen Frieden. (…)
Der Kirchenchor unterstützte die Zuhörenden im Nachsinnen mit einfühlsamen Chorsätzen.
Predigt
In seiner Predigt ging Dekan Dr. Gerlach ausführlich auf die schwere Trauerarbeit ein. Da ist das Aushalten eines anfänglichen Schocks. „Hatten Sie Menschen an Ihrer Seite, die das richtige Wort wussten?“
Zum Trauern gehört eine Zeit der Niedergeschlagenheit und des Haderns mit dem Schicksal. Dr. Gerlach zitierte den Text aus Jesaja 65, der für den heutigen Sonntag vorgeschlagen war:
Denn siehe, ich will einen neuen Himmel und eine neue Erde schaffen, dass man der vorigen nicht mehr gedenken und sie nicht mehr zu Herzen nehmen wird. (…) Und es soll geschehen: Ehe sie rufen, will ich antworten; wenn sie noch reden, will ich hören.
Es ist die Hoffnung auf eine andere Zeit, die neue Kraft geben kann – und diese Zeit beginne hier und heute. Da gibt es jemanden, der Antworten kennt und vor allem jemanden, der zuhört.
Zum Trauern gehöre ebenso die Zeit, in der man sich an manche Wunden gewöhne. Man beginnt mit der schweren Arbeit des Aufräumens und des Entsorgens – begleitet von der Hoffnung, die Jesaja verheißt.
Und zum Trauern gehöre aber nicht minder jene Zeit, in der manche Wunden wirklich heilen, wenngleich die Narben nicht vergehen. Die so schmerzenden Verluste in Familie und Freundeskreis werden zur Geschichtserzählung.
Ein Licht für die Verstorbene und den Verstorbenen
Die Namen der etwa 70 Verstorbenen des vergangenen Jahres wurden verlesen, und jeder wurde mit dem Anzünden einer Kerze bedacht bis schließlich die letzte Kerze für all die entzündet wurde, die wir in unserem Herzen haben und nicht vergessen wollen. Mit einem Abendmahl wurde die stärkende Gemeinschaft gefeiert.
Abschluss
Zum Ausgang sang die Gemeinde das bekannte Bonhoeffer-Lied:
Von guten Mächten wunderbar geborgen,
erwarten wir getrost, was kommen mag.
Gott ist bei uns am Abend und am Morgen
und ganz gewiss an jedem neuen Tag.
Für die vielen Konfirmanden war ein solch tiefgründiger Gottesdienst verständlicherweise eine Herausforderung. Es war wohltuend, mit wieviel Respekt sie teilgenommen haben.