Seid nicht bekümmert;
denn die Freude am Herrn
ist eure Stärke.
Nehemia 8,10
Monatsspruch im Wahlmonat. Motto für die Bundestagskandidaten: »Seid nicht
bekümmert; denn die Freude am Herrn ist eure Stärke.« Motto für die
Landtagskandidaten: »Seid nicht bekümmert; denn die Freude am Herrn ist eure
Stärke.« Motto für die Kirchenvorstandswahl: »Seid nicht bekümmert; denn die
Freude am Herrn ist eure Stärke.« Mache ich es mir zu einfach?
Die Situation damals: Das Gottesvolk ist aus der babylonischen
Gefangenschaft heimgekehrt. Wir schreiben das Jahr 458 v. Chr. Das Volk hat
sich in Juda niedergelassen und die Mauern um Jerusalem wieder aufgebaut.
Bei der Feier des Laubhüttenfestes, eines üblicherweise fröhlichen
Erntefestes, verliest Esra auf Bitten des Volkes hin das Gesetzbuch des
Herrn. Die Lesung und ihre Erläuterung dauern »vom Tagesanbruch bis zum
Mittag«. Die Forderungen Gottes machen einen solchen Eindruck auf das Volk,
dass es in Weinen und Wehklagen ausbricht. Es muss ausdrücklich eingeladen
werden zu essen und zu trinken. Und zusammen mit dieser Einladung fordert
Esra das Volk auf: »Seid nicht bekümmert; denn die Freude am Herrn ist eure
Stärke.«
Die Situation heute: Die Wahlen des Monats September 2013. Es geht um
Aufbau. Oder um Weiterbau. Um den politischen Bau unseres Landes. Um den
Gemeindeaufbau in unseren Kirchengemeinden. Und nun stelle man sich vor, bei
Michaelismarkt in Wolfhagen oder beim Kartoffelfest in Bründersen oder bei
einem der vielen Feste, die heutzutage gefeiert werden, bittet das Volk,
bitten die Wähler, das Gesetzbuch des Herrn zu lesen. Die zehn Gebote. Oder
etwa die Bergpredigt, jenes Meisterwerk der Weltliteratur. Autor: Jesus. Sie
sagen: Das kommt nicht vor. Warum nicht? Wenn es vorkäme – vom Tagesanbruch
bis zum Mittag – würden wir zuhören? Würden wir so aufmerksam zuhören, dass
man uns ermahnen müsste, doch jetzt endlich zum Kirchencafé zu gehen oder
zum Bratwurststand? Oder würden wir nach einer halben Stunde schlapp
machen?
Die Bergpredigt: Nehmen wir sie doch einmal. Sie ist doch ein schönes
Programm für Politiker, die sich bei ihren Entscheidungen nach Gott richten.
»Vertrage dich mit deinem Gegner.« »Eure Rede sei: Ja, ja, nein, nein. Was
darüber ist, das ist vom übel.« »Gib dem, der dich bittet.« »Liebt eure
Feinde.« »Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes.« »An ihren Früchten sollt
ihr sie erkennen.« – Die Bergpredigt ist doch ein Programm für
Kirchenvorsteher, die sich bei ihren Entscheidungen nach Gott richten: »Seid
fröhlich und getrost.« »Ihr seid das Licht der Welt.« »Habt acht auf eure
Frömmigkeit.« »Ihr sollt euch nicht Schätze sammeln auf Erden.« »Ihr könnt
nicht Gott dienen und dem Mammon.«
Sie sagen, das geht nicht. Das Programm ist zu schwer. Das kann man nicht
vergleichen mit unserer Situation. Das war vor 2500 Jahren oder vor 2000
Jahren ganz anders. Klar, war das anders. Darum muss man es übersetzen in
unsere Zeit. Und das ist die Aufgabe der Kirche. Und es wäre doch schon viel
gewonnen, wenn die Politiker und die Kirchenvorsteher sich besinnen würden
auf den, den sie als Christen verpflichtet sind, auf Jesus. Und eines ist ja
klar: Sie alle, die regieren und entscheiden, die in der Opposition sind und
auf die Regierung Obacht geben, können sich auf die christliche Gemeinde
verlassen, die ihren Dienst in der Fürbitte begleitet.
Und für sie wie für die Kirchenvorstandskandidaten, ob sie nun gewählt
werden oder ob sie nicht genügend Stimmen bekommen, gilt das alte Angebot
aus dem Nehemia-Buch: »Seid nicht bekümmert; denn die Freude am Herrn ist
eure Stärke.«
Kirchenrat Günther Dreisbach