Rosette

Hermann Neumeyer, nebenamtlicher Museumsleiter, präsentiert die
Rosette, die ehemals den Chorraum der Stadtkirche zierte.


Stadtkirchenrosette


im Regionalmuseum


Meditative Kraft für den Betrachter

In der Abteilung „Der Bürger in der Gesellschaft“ wird im
Regionalmuseum „Wolfhager Land“ eine aus dem Mittelfenster des Chores
der Stadtkirche stammende Rosette ausgestellt. Diese Rosette wurde bereits im
Jahr 1961 dem damaligen Kreisheimatmuseum am Kirchplatz als Vorgänger des
Regionalmuseums übergeben.

In diesem Jahr nämlich wurden die drei von Hans-Gottfried
von Stockhausen
gestalteten Fenster „Fischzug“,
„Abendmahl“ und „Pfingsten“ neu in den Chor der Kirche
eingebaut. An ihrem ursprünglichen Ort war die Rosette zusammen mit wenigen
kleinen Fischblasenfenstern als einziges Kirchenfenster unbeschädigt geblieben,
als die Munitionsanstalt im Gasterfelder Holz am Ende des Zweiten Weltkrieges
gesprengt wurde und die dadurch ausgelöste Druckwelle zahlreiche Schäden in der
Stadt verursachte.

Die Rosette selbst entstand 1860 im Zuge der neugotischen überformung
der Stadtkirche. Sie war dort in einer durch Standeisen unterteilten öffnung im
Stabwerk des oberen Maßwerks des Chorfensters eingebaut. Die dadurch
entstandenen zwei Kreishälften der Rosette wurden im Museum zusammengefügt,
indem die Randbleie rückseitig aneinander gelötet wurden.

Die Rosette hat eine beruhigende, suggestive und meditative Wirkung.
In ihrem Mittelpunkt erscheint im Blau des Firmaments ein Abbild der Sonne, das
auf Christus verweist. Das Licht, das auch im Museum aufgrund einer besonderen
Konstruktion durch das Glas scheint, verstand man im Mittelalter als „lumen
de lumine“, als Licht vom ewigen Licht und damit symbolisch für den von
Gott gesandten Christus. Hier liegt auch einer der Gründe, warum der Wolfhager
Kirchenmusikdirektor Bernd Geiersbach und seine Frau Simone Straka-Geiersbach
das letzte Wolfhager Musical „Lux aeterna“ „“Ewiges
Licht“) gerade in der Stadtkirche aufführten. Dabei wurde der Auftritt des
Jesuskindes beim erlösenden Schlussabendmahl durch die Erleuchtung genau des
Chorfensters begleitet, das sich heute am Platz der Rosette befindet.


Symbolhafte Zahl acht

Um die Sonne legen sich in der Rosette konzentrisch vier achtfach
geteilte Ringe. Schon in vorchristlicher Zeit gilt die
Acht

als Zeichen für die Ewigkeit und für die Vollendung. Die Bibel
sieht in der
Acht
immer einen neuanfang mit Ziel der
unzerstörbaren Ewigkeit.


Acht
Menschen werden in der Arche Noah vor
dem
Untergang der alten sündhaften Menschheit gerettet und begründen die
neue Menschheit nach der Sintflut. Der erste Petrusbrief nennt diese Menschen
ein Vorbild für die Taufe.

Der
achte
Sohn des Isai
(„Jesse“), der geliebte David, begründet das Geschlecht, aus dem
Christus stammt. „Von Jesse kam die Art“ heißt es im Weihnachtslied
„Es ist ein Ros entsprungen“.

Der Sabbat, der heilige siebte Tag der Juden, vollendet sich am
darauf folgenden
achten
Tag, dem Sonntag, an dem die
unbesiegbare Sonne Christus aufersteht. Daher beginnen die Christen mit dem
Sonntag die Woche.


Erstrahlen in neuem Glanz

Erst aus der Nähe kann man im Museum die filigrane Glasmalerei der
Rosette wahrnehmen, deren letzte Restaurierung im Jahr 2012
abgeschlossen wurde. Seitdem erstrahlt sie wieder in neuem Glanz. Aus
ästhetischer Sicht bot sich nach der Restaurierung im Museum der Einbau der
Rosette in ein hölzernes Passepartout an, das aus einer stabilen, vorderseitig
schwarz lackierten Tischlerplatte besteht und in einer Fensternische vor einer
das einfallende Licht reflektierenden Metallfolie aufgehängt wurde. Besonders im
Hinblick auf die Größe der Rosette wurde dadurch eine größere Stabilität
erreicht, als sie bei der früheren Aufhängung mit angelöteten Haften vorhanden
war. Darüber hinaus entstand so optisch eine vergleichbare Situation mit
eingebauten Glasmalereien im Maßwerk eines Kirchenfensters, da die Leuchtkraft
der Glasmalerei durch den dunklen Rahmen der Tischlerplatte entsprechend
hervorgehoben wird.


Dauerleihgabe

Zur Stabilisierung der Rosette wurden die Felder des Rahmens mit
einem Messingprofil verstärkt. Bei genauer Betrachtung wirken jetzt die feine
Konturierung der mit Schwarzlot aufgemalten Pflanzenmotive und die sorgfältige
Verbleiung der Scheiben mit Halbrundprofilen noch plastischer. Die Evangelische
Kirche, die diese Restaurierung maßgeblich finanzierte, stellt dem
Regionalmuseum die Rosette als Dauerleihgabe zur Verfügung.

Auch in der Abteilung des Museums „Der Bürger in der
Gesellschaft“ befindet sich die Rosette wie im Chor der Stadtkirche in
einer stillen, sakralen Umgebung, so dass sie auch an diesem
Ort ihre meditative Kraft auf den Betrachter ausüben kann. Dazu mögen
die folgenden Worte von Irmgard Pacher helfen:


Herr, lehre mich schweigen, in mir ist so viel
Lärm.
Meine Gedanken sind so verwirrt
von der Unruhe des
Tages.


Bilder bedrängen mich, Nachrichten, Meinungen,
Auseinandersetzungen, Erlebnisse und ängste.
Sie fordern mich,
sie ergreifen mich,
sie zerstreuen meine Kräfte.


Herr, lehre mich Abstand gewinnen von mir selbst
und
von Dingen, die so wichtig scheinen.


Herr, gib mir Kraft zur Konzentration.
Ich schließe
meine Augen.
Ich atme die Stille in mich hinein.
Ich gehe
weit von mir weg.
In deinem Schweigen finde ich mich wieder.

Dort bin ich Dein.