Monatsspruch Februar 2012:


“Alles ist erlaubt – aber nicht alles nützt.
Alles
ist erlaubt – aber nicht alles baut auf.
Denkt dabei nicht an Euch
selbst, sondern an die anderen.”

(1. Korinther
10,23-24)

Anything goes – erlaubt ist, was gefällt. Unsere Welt eröffnet
ungezählte Perspektiven. Für viele scheint die unbegrenzte Freiheit erreicht zu
sein. Ich kann tun, was ich will. Ich kann entscheiden, wie ich will. Ich kann
kaufen, was ich will. Und die offenen Möglichkeiten sind nahezu unüberschaubar.
Und irgendwie scheint auch alles erlaubt zu sein. Na klar, es gibt immer noch
Verhaltensregeln für das Alltägliche. Aber die sind sehr weit gefasst und wenn
jemand zumindest die Gesetze nicht verletzt, hat er auch nichts zu befürchten.
Moralische Bedenken – das ist doch von gestern.

Das ist für alle und nicht überall so, und war auch bei uns nicht
immer so. Früher waren nicht nur die Möglichkeiten sehr begrenzt. Auch das, was
“man” tun oder lassen darf, war weitgehend festgelegt. Manchem scheint es
deshalb heute wohl so, also ob religiöse Menschen noch auf alte Zeiten
festgelegt seien und die heutige Freiheit in der Lebenshaltung und Lebensführung
bei ihnen noch nicht angekommen sind. Wer sich als Christ bekennt, der darf
nicht alles, der muss sich an überholte Regeln und Gebote halten. Das wirkt
veraltet, verstaubt, unfrei.

Doch das Christentum ist eine Freiheitsreligion. Schon Paulus hat
davon geschrieben. Es war ein Teil seiner lebensverändernden und befreienden
Glaubenserfahrung. Und wer wie er erfahren hat, was die Erlösung durch Christus
bedeutet, der erlebt sich als befreiter Mensch: Befreit von der von Gott
trennenden Macht der Sünde und befreit von dem drückenden Zwang, durch das
ängstliche Befolgen von Regeln und Geboten einen gnädigen Gott verdienen zu
wollen. “Gott nimmt Dich an, wenn Du ihm Vertrauen schenkst.” Das ist die
befreiende Botschaft des Glaubens, aus der die Erkenntnis des Paulus wächst:
Alles ist erlaubt!

Wir wissen es: Die heutige Freiheit endet oft in enttäuschender
Sackgasse. Die scheinbar ungezählten Möglichkeiten eröffnen sich längst nicht
für jeden. Und die übermäßig genossene Freiheit endet in ernüchternden
Grenzerfahrungen, in zerbrochenen Beziehungen, Krankheiten, Schulden oder
einfach in enttäuschender Leere. Da erfährt mancher schmerzhaft, was er schon
von Paulus hätte erfahren können: Auch wenn alles erlaubt ist, nützt und baut
längst nicht alles auf.

Martin Luther hat die “Freiheit eines Christenmenschen” auf seine Art
definiert: “Ein Christenmensch ist ein freier Herr über alle Ding und niemandem
untertan. Ein Christenmensch ist ein dienstbarer Knecht aller Ding und jedermann
untertan.” (Von der Freiheit eines Christenmenschen, 1520)
Das Denken an
die anderen begrenzt die eigene Freiheit. Mein Nächster ist ein freier Mensch
wie ich. Mit gleichem Wert und gleicher Würde, von Gott geliebt wie ich. An
seiner Freiheit findet meine Freiheit ihre Grenze. Die Freiheit des Erlaubten
wird begrenzt durch die Rücksicht auf die Menschen um mich. Freiheit und
Verantwortung sind die beiden Pole, an dem sich mein christliches Leben
orientiert. Da geht es nicht um das ängstliche Befolgen einzelner Gebote. Es
geht um die verantwortliche, lebensdienliche Gestaltung der Freiheit, die uns
geschenkt ist.

In dieser Freiheit zu leben, ist nicht immer einfach. Eigene
Entscheidungen können schwer sein. Ich muss selbst herausfinden, was das
richtige ist. Manchmal ringe ich mit mir selbst, manchmal streite ich mit
anderen um den richtigen Weg. Ich bin auf mein eigenes Gewissen angewiesen. Das
wird “genährt”, wenn ich auf Gottes Wort höre, wenn ich mich an Jesu Beispiel
orientiere, wenn ich mich Gott im Gebet anvertraue. Denn Gott lässt mich in
meiner Freiheit nicht allein. Aber er traut mir zu, traut jedem von uns zu, das
eigene Leben in verantwortlicher Freiheit zu gestalten.

Wer so lebt, auch dem ist alles erlaubt. Aber er lebt und handelt
danach, was ihm und anderen nützt und was die Gemeinschaft nicht gefährdet,
sondern aufbaut.

Pfarrer Gerd bechtel

Pfarrer Gerd Bechtel
war von 1995 bis 2003 Pfarrer in Wolfhagen
und Bründersen.
Er ist jetzt Geschäftsführer des Diakonischen Werkes
Kassel.