Pfarrer Hans Jürgen Basteck


Lass mich am Morgen



hören deine Gnade;



denn ich hoffe auf dich.


Tu mir kund den Weg,


den ich gehen soll,


denn mich verlangt nach dir.

Psalm 143,8

“Das Jahr ist klein und liegt noch in der Wiege.

Der Weihnachtsmann ging heim in seinen Wald.

Doch riecht es noch nach Krapfen auf der Stiege.

Man steht am Fenster und wird langsam alt.”

So fasste einst Erich Kästner
(1899 – 1974) heiter-melancholisch seine Gefühle zu Beginn eines neuen
Jahres zusammen. Mit ein wenig Wehmut schauen wir im Januar auf die
zurückliegenden Feste: Die besinnliche Stimmung der Advents- und Weihnachtszeit
verblasst wie die Farben eines welken Blattes. Zugleich treten wir in die Zeit
eines neuen Jahres wie in einen unbekannten Raum. Wir öffnen uns für neue
Erfahrungen und sind in den ersten Wochen dieses Monats empfindsamer für die
Worte und Symbole, die uns bei der Deutung und Ausrichtung unseres Lebens
helfen.



“Lass mich am Morgen hören deine Gnade;
denn ich hoffe auf Dich. Tu mir kund den Weg, den ich gehen soll; denn
mich verlangt nach dir.”


(Psalm
143,8)
– Der Bibelvers, der als Leitmotto über
diesen ersten Monat im Jahr 2014 gestellt wurde, reißt den Schleier der
Sehnsucht nach dem Gestrigen fort. Ein neues Jahr bricht an, dem wir alle
Chancen für ein gelingendes Leben einräumen wollen. Der Psalmbeter greift dabei
auf den Tagesrhythmus und seine zeitliche Abfolge zurück. Ohne
bereits von den Geräuschen des Alltages abgelenkt zu sein, hören wir am frühen
Morgen sehr viel genauer die Klänge, die an unser Ohr dringen. Noch fällt es uns
leicht, die uns umgebenden Stimmen voneinander zu unterscheiden. Manchmal fangen
wir etwas auf, das wir bisher überhört haben. Wann, wenn nicht jetzt, sind wir
empfänglich auch für die Stimme Gottes, die sich verbindet mit unserer Hoffnung
auf eine gute Zukunft? Ist es nicht seine Gnade und unsere
Gunst, dass wir auf einen Weg durch das neue Jahr blicken dürfen, auf dem Gott
an meiner Seite ist? Sicherlich wird in den kommenden Monaten der ein oder
andere Umweg dazugehören. Selten lässt sich ein selbst gestecktes Ziel auf dem
kürzesten Weg erreichen. Trotzdem bleibt die Zuversicht, dass der HERR es
letztlich gut machen wird. “Verstehen kann man das Leben nur rückwärts.
Leben muss man es aber vorwärts.”
sagte einst Sören
Kierkegaard
, der dänische Philosoph. Demnach liegt es auch an mir
selber und meinem Blick auf das Leben, sowohl aus meinen Erfolgen als auch aus
meinen Enttäuschungen die Zuversicht auf eine gute Zukunft zu ziehen.

Schon fünfhundert Jahre vor Christi Geburt begann nach römischer
Zeitrechnung das Jahr mit diesem Monat Januar, den die Römer nach ihrer
Götterfigur Janus benannten. Janus war der Hüter der Türen und Tore und wurde
mit zwei Gesichtern dargestellt: das eine sieht, was drinnen, das andere, was
draußen geschieht. So wurde Janus zum Gott allen Anfangs: Das eine, alte Gesicht
blickt in die Vergangenheit, das andere, junge Gesicht in die Zukunft.

Der biblische Glaube legt Anfang und Ende der Zeit in Gottes Hand.

“Lass mich am Morgen hören deine Gnade; denn ich hoffe auf
Dich. Tu mir kund den Weg, den ich gehen soll; denn mich verlangt nach
dir.”


(Psalm 143,8) – Ich wünsche mir für die
ersten Wochen des neuen Jahres einen ähnlich vertrauensvollen Ausblick auf das
Kommende, wie er in den Worten des Psalmbeters zum Ausdruck kommt. Und ich
schließe mich seiner Bitte an, wenn er fortfährt: “Lehre mich tun nach
deinem Wohlgefallen, den du bist mein Gott; dein guter Geist führe mich auf
ebener Bahn.” (Vers 10)

Gebet

Herr, unser Gott,

wir danken dir, dass du mit uns ein neues Jahr beginnst.

Was es auch uns und dieser Welt bringen wird:

Nichts kann uns trennen von deiner Liebe.

Du begleitest uns mit deinem Frieden durch dieses Jahr.

Stärke uns durch deinen Heiligen Geist.

Schenke uns aus deinem Wort

Zuversicht und Klarheit für unser Handeln.

Im Vertrauen auf dich gehen wir den Weg,

den du uns weisen wirst. Amen.